F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

03.12.2022 / 1. Herren

„Unnötig!“

„Kleine“ Hertha unterliegt nach großem Kampf Spitzenreiter Rostock mit 1:2

Zur Halbzeitpause war sich der Chronist noch sicher, nach dieser Partie nicht von einer unnötigen Heimniederlage der Zehlendorfer berichten zu müssen. Es hätte vielleicht auch nach Schönfärberei ausgesehen, wenn nach den unglücklichen Niederlagen gegen den SC Staaken (0:1) und Dynamo Schwerin (1:2) wieder nur vom Pech geschrieben worden wäre. Zu stark wirkte der Tabellenführer aus Rostock, führte verdient mit 2:0 und obwohl die „kleine“ Hertha eine kämpferisch starke Leistung bot, deutete nichts auf eine spannende zweite Hälfte hin. Nach weiteren 45 Minuten wählte 03-Trainer Robert Schröder gegenüber Fußball-Woche Journalist Uli Krug genau dieses Wort: „Unnötig“. Denn sein Team steigerte sich im Vorwärtsgang beachtlich, setzte die Gäste unter Druck und mit ein wenig Glück (oder Können) im Abschluss wäre ein 2:2 nicht ganz unverdient gewesen. So aber unterlagen die Zehlendorfer mit 1:2.

Sie waren mit einer großen Bürde in die Partie gestartet: Kapitän, Torjäger und Mittelfeldtaktgeber fehlten. Lenny Stein, Zulu Ernst und „Maxi“ Obst standen ebensowenig zur Verfügung wie Stürmer Tim Grabow. Dafür kehrten mit Eric Stiller und Carl Hopprich zwei Protagonisten zurück.

Im Inneren des Programmheftes wurde gefragt „Wo bleiben die Zuschauer?“. Der mäßige Zuspruch bei den bisherigen Spielen (trotz zeitweiliger Tabellenführung) war der Auslöser. Gestern Abend versammelten sich gerade einmal 135 auf den Rängen. Minusgerade und gleichzeitige WM-Übertragung hielt wohl viele von einem Besuch ab. Vielleicht sollte man sich auch einmal Gedanken machen, ob in den trüben Wintermonaten November, Dezember und Januar Freitagsansetzungen wirklich der Weisheit letzter Schluss sind.

Es waren keine 60 Sekunden gespielt, da stürmten die Gäste bereits das erste Mal frei in Richtung des von Zehlendorfs Schlussmann Paul Büchel gehütete Tor. Ein Foul an der Strafraumgrenze verhinderte Schlimmeres. Den anschließenden Freistoß beförderte Sadrifar über Mauer und Latte. Wenig später zimmerte Mbengani den Ball ans Lattenkreuz (5.). Es gab kein langes Abtasten. Die Rostocker starteten sofort mit Tempo, waren mit allen Mann in Bewegung und stets gefährlich. Erneut Sadrifar war es, der aus 25 Metern abzog, knapp links am Zehlendorfer Kasten flog die Kugel vorbei (26.).

Doch in der Folge konnten sich die Gastgeber aus der Umklammerung befreien, kamen selbst zu Ballpassagen. Ein Freistoß von Dennis Dombrowe, den James Ndubueze aufs Tor beförderte, war das erste Achtungszeichen (32.). Nur wenige Sekunden später brannte es vor Büchel lichterloh: Rostocks Torjäger N Diaye brachte das Kunststück fertig, aus vier Metern an die Latte zu schießen (32.). Als man schon glaubte, sich mit einem 0:0 in die Pause retten zu können, passierte es doch noch: Ein ebenso unglücklicher wie unnötiger Rückpass von Jason Rupp auf Büchel inmitten der eigenen Hälfte, landete vor den Füßen von Sadrifar, der das Geschenk dankend annahm und eiskalt zum 0:1 verwandelte (40.). „Das war allein meine Schuld, da kann ich mich bei der Mannschaft nur entschuldigen. Wäre das nicht passiert, wären wir gut im Spiel gewesen und hätten vermutlich einen Punkt geholt“, wirkte Unglücksrabe Rupp hinterher noch niedergeschlagen. Derart geschockt, kassierte die „kleine“ Hertha nur drei Minuten später das 0:2 durch Bergers 23-Meter-Schuss ins linke Eck (42.). Eine nicht unverdiente Führung, wenn auch in der Entstehung aus Berliner Sicht äußerst ärgerlich.

Nach dem Wechsel traten die Zehlendorfer entschlossener auf, es hatte etwas von der „Jetzt-erst-recht“-Einstellung. Sie agierten mutiger, gewannen Zweikämpfe und mitunter lief das Spiel über die Flügel (Burda, Praus!) recht flüssig. Nach einer Ecke boten sich zunächst Louis-Nathan Stüwe, im Nachsetzen Valentin Henneke zwei Möglichkeiten, der Ball wurde auf der Linie geklärt (63.). Wenige Augenblicke später wurden die Mühen honoriert: Einen Dombrowe-Freistoß wuchtete Kareem Frölich unhaltbar per Kopf zum 1:2 ins Netz (67.). Und die Zehlendorfer setzten nach, Rostock verlor endgültig die Kontrolle über das Spiel, der Ausgleich lag in der Luft. Einen Dombrowe-Pass in die Tiefe lupfte Henneke auf den durchgebrochen Ndubueze, der (vielleicht etwas überhastet) den auftippenden Ball volley über den Kasten hämmerte (75.).

Ab der 80. Minute konnten sich die Gäste aus der Umklammerung wieder lösen, dennoch hätte es für die „kleine“ Hertha zum Punktgewinn reichen können. In der allerletzten Sekunde der 6-minütigen Nachspielzeit wird ein Dombrowe-Freistoß abgewehrt, in den folgenden (aus aussichtsreicher Position abgegebenen!) Nachschuss von „Mo“ Sow Sow pfiff Schiedsrichter Maximilian Bauer einfach ab. Eine mehr als merkwürdige Entscheidung, zumal die Rostocker in der Schlussphase bei ihren Wechseln jede nur bestehende Möglichkeit ausnutzten, um Zeit zu gewinnen. In den anschließenden Tumulten sah der gerade erst wieder von einer Verletzung genesene Carl Hopprich die rote Karte. „Respekt an alle, die super gekämpft haben. Wir hatten auch einige gute Spielszenen, und insgesamt haben die Zuschauer ein Top-Spitzenspiel gesehen“, sagte Rupp nach dem Abpfiff.

Welche Ansprüche in Zehlendorf inzwischen beim ehrgeizigen Trainer-Team herrschen, verdeutlicht die Stellungnahme von Trainer Schröder. Angesprochen darauf, dass es für die Zuschauer doch ein tolles Oberliga-Spiel gewesen sei, sagte er: „Das ist mir scheißegal. Ich kann es schon nicht mehr hören, dass wir für unser Spiel immer gelobt werden, aber dabei keine Punkte holen.“ Auch gegenüber der Fußball-Woche gab er an, dass der Verlust einiger Leistungsträger nicht als Ausrede gilt: „Jeder bei uns im Kader hat die Qualität und Berechtigung zu spielen.“ Das mag aus Trainer-Sicht die richtige Einstellung sein, doch wie wichtig Stein, Obst und Ernst für das Team sind, dazu bedarf es keiner langen Erklärung mehr. Eine derartige Häufung an Ausfällen von Qualität ist für jedes Team schwer zu verkraften, ohne die kämpferische (und zum Teil auch spielerische) Leistung aller Akteure von gestern zu schmälern. Apropos „kämpferische Leistung“, auch hierzu hat Schröder eine klare Meinung: „Eine kämpferische Leistung ist für mich das Minimum, das setze ich voraus, und das ist es auch, was die Mannschaft in den letzten Wochen ausgezeichnet hat. Aber ich ärgere mich trotzdem, dass wir das hier so herschenken. Gerade die erste Halbzeit mit den zwei Gegentoren ärgert mich maßlos, ohne, dass ich da jemanden persönlich einen Vorwurf machen möchte. Das sind eben die Nuancen, die so ein Spitzenspiel entscheiden.“ Diesen letzten Schritt (zu einem echten Spitzenteam) will Schröder mit seinen Spielern unbedingt gehen. Er scheint nur noch klein zu sein, dafür umso schwerer.

So ist der Rückstand zur Spitze auf fünf Punkte angewachsen. Das ist noch lange kein Grund, die Flinte vorzeitig ins Korn zu werfen, zumal Schröder zur nächsten Partie (Sonntag beim MSV Pampow) vor einer für ihn ungewohnten Situation steht. Er hat tatsächlich einmal die Qual der Wahl, da mit Stein, Ernst und Grabow drei Akteure in den Kader zurückkehren. Da auch Cenker Yoldas wieder eine Option ist und „Maxi“ Obst nach seinem Einstieg ins Lauftraining keine Probleme verspürt, ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Blickt man auf die vergangene Saison zurück, als Schröders-Mannen zu Beginn der Rückrunde einen Rückstand von 11 Punkten aufzuholen hatten und bis zum vorletzten Spieltag im Titelrennen waren, ist die Situation fast schon komfortabel. Berücksichtigt man noch, welche Personalprobleme in der gesamten Hinrunde herrschten, kann man für die Rückserie noch einiges erwarten. Zunächst einmal aber geht es nach Pampow. Dort sind drei Punkte Pflicht. Wer glaubt, angesichts der Rückkehrer und des schlechten Tabellenplatzes der Gastgeber nur die Punkte abholen zu müssen, könnte sein blaues Wunder erleben. Gehen die Schröder-Schützlinge die Angelegenheit seriös an, bleibt der Kontakt zur Spitze erhalten.

 

FC Hertha 03 – Rostocker FC 1:2 (0:2)

Hertha 03: Büchel; Stüwe, Dombrowe, Praus; Burda, Stiller, Henneke (84. Ott), Rupp (68. Hopprich), Cami (84. Yoldas); Frölich, Ndubueze (84. Sow Sow)

Die Tore: 0:1 Sadrifar (40.) 0:2 Berger (42.), 1:2 Frölich (67.)

Zuschauer: 135

Gelbe Karten: Praus, Burda (5.)

Rote Karte: Hopprich

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