F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

19.01.2016 / 1. Herren

Zehlendorfer liefen zu großer Form auf

Unger und Gioudas als beste Spieler geehrt / Robrecht Torschützenkönig

Da waren wir uns wieder einmal einig: Vor dem Regio-Cup 2016 beschlossen Mannschaftsleiter Jürgen Hain und der Autor, auf eine Nachbetrachtung getrost zu verzichten. Die von Zuschauern und Spielern dienstags gern gelesene Rückschau auf die letzte Partie sollte eher den Punktspielen gewidmet werden, für ein Hallenturnier wäre soetwas nicht erforderlich. Da die Zehlendorfer ihr Augenmerk zudem auf die Rückserie richten, sie tags zuvor auch noch ein anspruchsvolles Testspiel gegen den aufstrebenden BFC Preußen absolvierten und ohnehin auf ihre Hallenspezialisten aus den Vorjahren (Arber Shuleta & Melih Hortum) verzichten mussten, schienen sich ihre Ambitionen in Grenzen zu halten. Wie man sich irren kann.

Als der Pokal nach der Übergabe durch die Hände eines jeden einzelnen Zehlendorfer Akteurs gewandert war und auch Torhüter Nico Hinz die Glückwünsche der Umherstehenden in Empfang nahm, scherzte er: „Na, dann schreib' mal was Schönes über meinen Anteil am Erfolg.“ Hinz, der keine Begegnung des Herbstmeisters auf dem Feld verpasst hatte, stand am Sonntag nicht eine Sekunde auf dem Feld. Diese Art von Lockerheit und Humor trägt sehr wohl zum Gelingen des Ganzen bei. Ein weiterer Gradmesser: Wie freut sich die Bank bei eigenen Toren? Auch hier merkt man, dass bei der „kleinen Hertha“ zurzeit alles stimmt. Wie Su Min Kim seine Mitspieler nach deren Treffern überschwenglich feierte, zeugt von einem ausgeprägtem Teamgeist. Und nicht zuletzt saß auf der Tribüne mit Robert Schröder, Erdal Özdal, Darius Niroumand, „Maxi“ Obst, Jian Schleiff, Carl Hopprich, Marc Zellner, Mike Ryberg, Sven Aagaard und Dennis Voigt beinahe der komplette Kader und fieberte mit.

Nachdem der Motor zu Beginn beim 2:2 gegen Tennis-Borussia und 2:1 gegen Hertha 06 (nach 0:1 Rückstand) noch etwas stotterte, legten die Zehlendorfer anschließend zu: 3:0 gegen Lichtenberg 47 und 5:1 gegen BAK. Längst war klar geworden, dass Hortum und Shuleta mehr als adäquate Nachfolger gefunden hatten: Miguel Unger, der zurecht zum besten Spieler des gesamten Turniers gewählt wurde und Felix Robrecht zauberten, dass es eine helle Freude war. Robrecht, der neben Akdari von Babelsberg 03 mit 5 Treffern auch noch Torschützenkönig wurde, überraschte mit Technik und Wendigkeit, die man ihm ob seiner Größe so gar nicht zugetraut hatte. Die erfahrenen Hallenfüchse der Vorjahre Niclas Warwel, Cüneyt Top und Burak Mentes überzeugten auch an diesem Sonntag und wurden tatkräftig unterstützt von dem in der Hinserie oft überragenden Dennis Dombrowe. Su Min Kim traf ebenso wie „Effi“ Gakpeto, der aber wohl die spektakulärsten Treffer des Turniers erzielte, drei Mal. In einem unterscheidet sich der Hallenfußball nur unwesentlich von dem auf dem echten Rasen: Die Meisterschaften werden hinten entschieden. Und da hatten die Zehlendorfer mit Trifon Gioudas eine großartige Stütze. Auch hier lag die Jury mit ihrer Einschätzung völlig richtig: Gioudas war nicht nur der große Rückhalt des Oberliga-Herbstmeisters, er war auch der beste Torhüter an diesem Sonntag und erhielt für seine glänzenden Paraden zurecht den Pokal.

Im Halbfinale und im Endspiel liefen die Zehlendorfer dann endgültig zu großer Form auf: 3:1 gegen die in der Vorrunde so stark auftrumpfenden A-Junioren vom 1. FC Union und 5:3 im Finale gegen Babelsberg 03.

Was bleibt in Erinnerung? Dass die Zehlendorfer bis auf Dennis Dombrowe keinen gelernten Verteidiger aufboten und damit die These wiederlegten, nach der man auch in der Halle ohne gestandene Abwehrrecken nicht auskommt. Die eindrucksvollen Darbietungen von Unger (technisch beschlagen, starker Abschluss) und Robrecht (körperlich geschmeidig, im Abschluss vielseitig). Das geschickte taktische Verhalten des gesamten Teams. Das blitzschnelle Umschalten von Top, Warwel und Gakpeto. Die wunderbaren, reaktionsschnellen Paraden von Gioudas. Das Kopfballtor (!) von Robrecht, der Hammer von Unger in den Winkel und natürlich die frechen Treffer von Gakpeto – zwei mit Lupfer erzielt, einer über die Bande. Die Kaltschnäuzigkeit Su Min Kims vor dem Tor. Die mannschaftsdienliche Spielweise von Mentes und Dombrowe, die einer „kleinen Hertha“ ohne Schwächen die notwendige Stabilität verliehen und ein stimmungsvoller Zehlendorfer Zuschauer-Block, der jeden der zahlreichen Treffer frenetisch feierte. Kurzum: Wer zu Hertha 03 hält und nicht dabei war, dem entging so einiges.

Was können die Zehlendorfer vom vergangenen Sonntag neben dem Pokal mitnehmen? Nun, selbst der Fußball-Laie weiß, dass man vom Hallenspektakel unmöglich Rückschlüsse auf den weiteren Saisonverlauf auf dem Felde ziehen kann. Aber dennoch: Der erstmalige Pokaltriumph beim Turnier der Berliner Regionalliga- und Oberliga-Vereine gibt Rückenwind in psychologischer Hinsicht. Nach einem Erfolg fällt das Training, gerade bei den unwirtlichen Temperaturen, vielleicht ein wenig leichter. Und es gibt Beispiele von Mannschaften, die von den Erlebnissen in der Halle profitierten, nicht zuletzt die Zehlendorfer selbst. Vor zwei Jahren gewannen sie das Turnier der Berlin-Ligisten und stiegen anschließend in die Oberliga auf. Wer noch ein wenig weiter zurückdenken mag: 1970 begeisterte eine Mannschaft um die alten Recken Helmut Faeder, Uwe Kliemann, „Sprotte“ Sühnholz und Michael Kellner im altehrwürdigen Sportpalast. Nur wenige Monate später fehlte ihnen lediglich ein Sieg bis zur Ersten Fußball-Bundesliga. Da Fußballer gemeinhin zum Aberglauben neigen, mögen die Zehlendorfer den vergangenen Sonntag einfach als gutes Omen werten.

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