F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

05.08.2022 / 1. Herren

Wundertüte „kleine“ Hertha

Die Saison-Vorschau von Oliver Kellner

Runderneuerter Kader – Kurze Vorbereitungszeit – Heute Saisonauftakt gegen Union Fürstenwalde (19:45 Uhr, Ernst-Reuter-Stadion)

Nach dem knapp verpassten Aufstieg in die Regionalliga, wobei die Vizemeisterschaft der NOFV Oberliga-Nord errungen wurde, sollte das Team durch das Nachrücken eigener Junioren moderat verjüngt werden – so der Plan. Doch drei der acht frisch gebackenen Aufsteiger in die A-Junioren-Bundesliga verletzten sich so schwer, dass viele Planungen über den Haufen geworfen und neue erstellt werden mussten. Herausgekommen ist ein Kader, der einer Wundertüte gleicht, aber vielleicht ähnliche Spannung verspricht wie in der abgelaufenen Saison.

14 Neuzugänge und 9 Abgänge – ein gewaltiger Schnitt. Mit Mike Ryberg, Egzon Ismaili und Melih Hortum verlor die „kleine“ Hertha nicht nur Qualität, sondern auch geballte Oberliga-Erfahrung und die Zuschauer langjährig vertraute Gesichter. Da passte es ins rechte Bild, dass junge Zehlendorfer die Lücken schließen sollten - und erfolgreich waren sie noch dazu. Einen Tag nach dem letzten Oberliga-Spiel zogen die Junioren durch ein fulminantes 5:0 gegen den Nord-Vertreter Eintracht Norderstedt in die Junioren-Bundesliga auf. Das schienen nicht die schlechtesten Voraussetzungen – bis die Verletzungsmisere einsetzte. Mit Niklas Biolik, Lennard Quanz (beide Kreuzbandriss) und Anton Siren (Muskelabriss) werden drei Akteure den Großteil der Saison verpassen. Hinzu kamen Blessuren der Stammkräfte Arthur Langhammer, Maximilian Obst, Dennis Dombrowe und Louis-Nathan Stüwe, die kein einziges der ohnehin nur drei Vorbereitungsspiele (allesamt gewonnen) bestreiten konnten. So war an ein Einspielen kaum zu denken. 

Überhaupt war die Vorbereitungszeit von vorneherein ein Problem: 18. Juni Saisonende, 1. Juli Trainingsbeginn, wenn auch nur individuell. Wer sollte in dieser kurzen Zeitspanne nach einer anstrengenden, bis um Ende nervenaufreibenden Saison regenerieren? Man kann nur hoffen, dass den Zehlendorfern ihre großartige Spielzeit 2021/22, in der sie bis zum vorletzten Spieltag um den Aufstieg kämpften, nicht zum Bumerang wird. Wer aber Trainer Robert Schröder kennt, der im Übrigen eine ausgezeichnete Premieren-Saison als Trainer ablieferte, weiß, dass es da kein langes Lamentieren geben wird. Er hält es eher mit Team-Manager „Zippo“ Stüwe-Zimmer, der sich auf die neue Spielzeit freut und gespannt ist, „wie wir uns da behaupten werden.“ Zum Trainerteam gehören übrigens fortan mit Pedro Cardoso ein Zehlendorfer Neuling und mit Timo Steinert ein Vereins-Urgestein – beide fungieren als Co-Trainer.

Erst in den vergangenen Tagen nahm der Kader schließlich die Formen an, die er nun aufweist. Nach den frühzeitig feststehenden Junioren-Zugängen Stanley Cross, Kareem Frölich, Cenker Yoldas, Jonas Burda und Oskar Praus, von denen Stüwe-Zimmer „zweien oder dreien“ den Sprung in die Startelf am heutigen Freitag gegen den Regionalliga-Absteiger FSV Union Fürstenwalde (19:45 Uhr, Ernst-Reuter-Stadion) zutraut, kamen schließlich noch externe Akteure an den Siebenendenweg. Torhüter Jasper Kühn von Kooperationspartner Hertha BSC (U19), die schon in der Regionalliga erprobten Valentin Hennecke (SV Lippstadt 08), Eric Stiller (VfB Auerbach) und David Kinner (BSV Rehden), „Geheimtipp“ Mohamed Sow Sow von Berlin-Ligist SC Charlottenburg und James Ndubueze, der aus den USA nach Deutschland zurückgekehrt ist und dort am College gespielt hat. 

So könnte es durchaus sein, dass das Team zunächst Lehrgeld zahlen muss, um sich im Laufe der Saison zu finden und zu steigern. Ein wenig mag das an die Vorsaison erinnern, in der vermeidbare Niederlagen in der Hinrunde gegen Schwerin und Brandenburg wertvolle Punkte kosteten, in der Rückserie aber eine beeindruckende Siegesserie folgte, nachdem sich die Automatismen eingestellt hatten. Kann man die Rückschläge zu Beginn in Grenzen halten, scheint auch dieses Jahr vieles möglich. 

Viel Spannung verspricht auch ein ausgeglichenes Teilnehmerfeld der Liga, denn so ein richtiger Favorit scheint sich noch nicht herauszuschälen. Am ehesten noch Namensvetter Hertha 06, der viel Qualität aus höheren Ligen hinzugewonnen hat. So setzt auch die FuWo-Prognose auf die Charlottenburger, dazu den FC Hansa Rostock mit seiner U23 und die TSG Neustrelitz, die aber erst einmal ein 0:8 im DFB-Pokal gegen den Karlsruher SC verdauen muss. Die „kleine“ Hertha wird dagegen ebenso ins Verfolgerfeld eingestuft wie Eintracht Mahlsdorf und der Rostocker FC. Die drei Regionalliga-Absteiger erwartet die FuWo-Redaktion übrigens nicht im Vorderfeld: Fürstenwalde und Tasmania stuft man im Mittelfeld ein, Optik Rathenow sieht man sogar in Abstiegsgefahr. 

Punkte hin, Platzierung her – am meisten wünschen sich sicherlich alle einen reibungslosen Ablauf der Spielzeit. Spieltag für Spieltag Quotienten zu errechnen, mag für die Gehirnzellen nicht das schlechteste Training sein, aber einfach mal wieder nur auf die Punkte zu schauen, dagegen hätte bestimmt niemand etwas einzuwenden.

Die Zehlendorfer fahren sicherlich gut damit, nicht zu den Top-Favoriten zu gehören. Das verbietet sich angesichts der schwierigen Vorbereitung ohnehin von selbst. Können jedoch die (bisherigen) Leistungsträger an ihre Form aus dem Frühjahr anknüpfen, können sich die Junioren den Schuss Unbekümmertheit bewahren und halten die externen Zugänge das, was in Ansätzen schon zu erkennen war, dann erwartet Zehlendorfs Fußballfreunde eine weitere spannende Spielzeit. Wohin das führen kann? Das weiß bei allen Unwägbarkeiten des Fußballsports zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich noch nicht einmal der Fußball-Gott.

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