F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

08.11.2021 / 1. Herren

Wie ausgewechselt

„Kleine“ Hertha bezwingt Greifswalder FC mit 2:1

Die in den letzten Wochen von Glücksgöttin Fortuna so schmählich im Stich gelassenen Zehlendorfer profitierten am gestrigen Sonntag von einem Greifswalder Gastgeschenk. Es lief die 70. Minute, als GFC-Schussmann Adam Marcuk einen Freistoß direkt in die Füße des Zehlendorfers Melih Hortum spielte. Der strebte völlig frei auf den Torhüter zu, bediente den besser postierten Deniz Citlak, der keine Mühe hatte, die Kugel ins verwaiste Tor zu schieben. Der Weg zum verdienten Sieg der „kleinen“ Hertha war geebnet.

Im ersten Abschnitt war es ein verteiltes Spiel auf beiden Seiten, bei dem man nach Höhepunkten vergeblich suchte. Ballverluste beider Teams im Mittelfeld hemmten den Spielfluss, dabei trafen die Zehlendorfer im letzten Drittel zu häufig die falschen Entscheidungen. Ähnlich sah es auch Lenny Stein: „In der ersten Halbzeit haben wir es zwar defensiv sehr gut gemacht, aber nach vorn hatten wir noch zu wenig Durchschlagskraft.“

Wie ausgewechselt kamen die Berliner aus der Kabine. Als hätte jemand den Schalter umgelegt, setzten sie bei nun stark einsetzendem Regen den Tabellenzweiten unter Druck. Kaum waren 120 Sekunden gespielt, als es zum ersten Aufreger kam: H03-Torjäger Romario Hartwig hatte zum 1:0 getroffen, doch der Linienrichter eine Abseitsstellung angezeigt, obwohl der Ball von einem Greifswalder gespielt wurde. Als Konzessionsentscheidung (?) gab Schiedsrichter Hannes Wilke einen Freistoß für die Zehlendorfer, die von nun an griffiger und entschlossener agierten. „Was in der Pause passiert ist, weiß ich gar nicht. Vielleicht lag es daran, dass wir gewinnen mussten“, rätselte Stein etwas über den Wandel seines Teams im zweiten Abschnitt. 

Hortums Schuss parierte Marcuk (48.), Hartwigs Versuch aus der Drehung strich knapp links vorbei (59.). Doch die Gastgeber haderten nicht und profitierten schließlich von Marcuks Missgeschick. Einzig ein Flankenball von Lukas Knechtel, der sich auf die Torlatte von Paul Büchel senkte, waren als Möglichkeit der Gäste zu verzeichnen (74.), die keine zwei Minuten später in Unterzahl agieren mussten: Marco Kröger holte den durchgebrochenen Hortum rüde von den Beinen und sah zu recht die rote Karte (76.). In Überzahl boten sich den Berlinern zahlreiche Kontermöglichkeiten, von denen schließlich Egzon Ismaili eine zum 2:0 nutzen konnte (81.). Hierbei bewies das Trainergespann Schröder/Gerdts ein glückliches Händchen: Wenige Sekunden zuvor hatten sie Ismaili eingewechselt. Für Zehlendorfs Mittelfeldspieler Maximilian Obst waren die vielen Möglichkeiten nach der eigenen Führung keine große Überraschung: „Nach dem 1:0 muss Greifswald natürlich aufmachen und dass wir bei Kontern stark sind, wissen wir, weil wir extrem schnelle Spieler nach vorn haben. Aber am Ende zählen die drei Punkte gegen einen Gegner, der zu den Mitfavoriten zählt.“

Matteo Heckers wunderschöner Distanzschuss zum 2:1 (90.) kam zu spät, um die „kleine“ Hertha noch in Gefahr zu bringen. Das hätte Team-Manager „Zippo“ Stüwe-Zimmer auch nur schwer verkraftet: „Heute sind in der zweiten Halbzeit wirklich alle ans Limit gegangen. Es wäre tragisch gewesen, wenn wir bei den vielen Torchancen, die wir wieder hatten, heute Punkte abgegeben hätten. Vorher wären wir ja mit einem Punktgewinn zufrieden gewesen.“

„Aufgrund des zweiten Abschnitt geht der Zehlendorfer Sieg in Ordnung. Es ist total ärgerlich, wenn man sieht, wie wir das 0:1 bekommen. Im Grunde ist es ein Selbsttor“, ärgerte sich Greifswalds Trainer Roland Kroos über den Patzer seines Schussmanns, der praktisch die Vorentscheidung bedeutete. Doch Kroos betonte auch: „Zehlendorf hat die entscheidenden Zweikämpfe gewonnen, was ausschlaggebend für den Sieg war.“ Für 03-Trainer Schröder war wichtig, „dass wir konsequent verteidigt und fast nichts zugelassen haben. Im zweiten Abschnitt wollten wir häufiger über die Flügel spielen und dadurch mehr Zug zum Tor entwickeln.“ Dabei kalkulierte er ein, „dass wir bei den Duell Eins-gegen-Eins, auch mal einen Konter riskieren. Aber so sind wir auch zu mehr Abschlüssen gekommen. Ein großes Kompliment an meine Mannschaft.“

Sein bisher wohl bestes Spiel im Zehlendorfer Dress lieferte Bruno Ott ab, der den verletzten Louis-Nathan Stüwe großartig ersetzte. Über Stüwes Verletzung (Verdacht auf Bänderriss) wird ein MRT am heutigen Montag mehr Aufschluss geben. Für Ott war die Mentalität für den Erfolg entscheidend: „Da waren wir heute besser. Arthur (Langhammer) hat heute fast keine Szene unkommentiert gelassen, das hat uns alle gepackt.“ Vielleicht entwickelt sich hier ein Verbal-Leader, der der Mannschaft gut zu Gesicht stehen würde.

Stüwe-Zimmer hofft „dass wir uns nach so einem Spiel wieder finden und eine kleine Wende einleiten können.“ Vielmehr als die drei (so sehnlichst erwünschten) Punkte sind es folgende Faktoren, die dieses Wochenende für die „kleine“ Hertha in einer späteren Nachbetrachtung so bedeutend machen könnten. So behielten die Verantwortlichen in den letzten schwierigen Wochen die Ruhe, vertrauten dem Trainergespann und ihrer Mannschaft. Ein Umstand, der in der Liga nicht überall zu verzeichnen ist: Die FCs aus Rostock (als Tabellenführer) und der Greifswald wechselten bereits ihre Trainer. Vor allem aber zeigte das 2:1, dass die Schröder/Gerdts-Schützlinge durchaus über die Qualitäten verfügen, andere Spitzenteams zu schlagen. Sie zeigten ihre bisher beste Saisonleistung als es am Nötigsten war. Der wichtigste Punkt aber könnte sein: Insgeheim hakten sie die Saison am Siebenendenweg bereits mehrfach ab. Nach jeder weiteren Enttäuschung schien sich der Abstand zur Spitze uneinholbar zu vergrößern. Stattdessen aber ging es munter weiter. Die Patzer des Rostocker FC im Doppelpack könnten dafür sprechen, dass es vielleicht doch keinen Überflieger in der Lage gibt. Dazu aber müssen die Langhammer, Obst & Stein regelmäßiger ihre Pflichtaufgaben erfüllen. Die nächste wartet am kommenden Sonntag in Seelow. Als Warnung sei vorweggeschickt: Dort hat man noch nie gewinnen können...

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