F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

01.10.2022 / 1. Herren

Unglückliches 0:1

„Kleine“ Hertha scheitert an Pech und Abschlussschwäche

Wer einen gewissen Sinn für (fußballerischen) Aberglauben besitzt, gleichzeitig dazu über ein festes Wissen an (Fußball-)Statistik verfügt, ahnte das Unheil bereits am frühen Morgen beim Blick in den Tagesspiegel. Dort ging man in einem großen Artikel auf die jüngsten Erfolge der „kleinen“ Hertha ein, kündigte dabei das gestrige Lokalderby gegen den SC Staaken an. Nun, auf die letzten Spielankündigungen im Tagesspiegel folgte prompt – eine Niederlage. Ob vor der entscheidenden Partie in Greifswald (2:4), vor dem Pokalspiel gegen den BFC Dynamo vor zwei Jahren (0:3), dem Saisonheimauftakt 2019 gegen Tasmania (0:1) oder auch schon früher (Lichtenberg, TeBe), jedesmal stolperten die Zehlendorfer anschließend – so auch gestern beim unglücklichen 0:1 im Ernst-Reuter-Stadion.

Die Gäste begannen aggressiv, und man gewann den Eindruck, dass den Zehlendorfern das hohe Tempo und das frühe Pressing nicht sonderlich behagte. Immer wieder versuchten die Staakener mit langen Bällen in die Spitze, ihren Torjäger Jimenez Paris in Szene zu setzen. Das gelang ihnen am besten in der 13. Minute: In die zentrale Schnittstelle der aufgerückten Zehlendorfer Abwehr gelangte die Kugel zu Paris, der frei dem Kasten von Jasper Kühn zustrebte und im Abschluss die Nerven behielt – 0:1. Zum ersten Mal in dieser Spielzeit lief die „kleine“ Hertha einem Rückstand hinterher. Und siehe oben, Thema Statistik: In der vergangenen Saison galt folgende (einfache) Regel: Lagen die Zehlendorfer zurück, holten sie keinen Punkt mehr, lagen sie in Führung, wurde kein Spiel verloren.

Wie würden „Stein, Obst & Co.“ reagieren? Der erste Versuch von Eric Stiller geriet zu harmlos (17.). Anders dagegen die Gäste: Erst musste Kühn gegen Paris parieren (33.), kurz darauf gelang ihm gegen den Volleyschuss von Kohlmann (aus Nahdistanz) eine unglaubliche Parade, indem er die Kugel reaktionsschnell über die Latte lenkte (34.). Danach übernahmen die Zehlendorfer das Zepter und gaben es bis zum Schlusspfiff nicht mehr aus der Hand. Eine kuriose Szene entwickelte sich in der 36. Minute. Mehrere Schussversuche der Gastgeber (Henneke?, Grabow) aus Nahdistanz blieben in der vielbeinigen Staakener Abwehr hängen oder wurden mit etwas Glück auf der Linie geklärt. Den Torschrei auf den Lippen hatten die Zehlendorfer Anhänger unter den 183 Zuschauern kurz vor der Pause. Eine präzise Flanke vom überaus aktiven Jonas Burda köpfte Lenny Stein über Schlussmann Kevin Otremba hinweg, doch fand die Kugel nicht den Weg ins Netz sondern klatschte vom Innenpfosten zurück ins Feld (44.). Ein weiterer Kopfball Steins landete auf dem Netz (45.).

Im zweiten Abschnitt wurden die Gäste förmlich im eigenen Strafraum eingeschnürt, zunächst jedoch, ohne wirklich in Gefahr zu geraten. Brenzlig wurde es für die Staakener in der 65. Minute: In einer Art Ringkampf kam Stein zu Fall, doch Schiedsrichter Bauer ließ weiterspielen. Herthas Kapitän schwor hinterher Stein und Bein, klar gefoult worden zu sein. Und auch besser postierte Außenstehende bestätigten die Aussage des Zehlendorfer Abwehrchefs. Das Glück, dass vor knapp zwei Wochen bei Hertha 06 noch auf Seiten der Zehlendorfer gewesen war, ließ sie dieses Mal im Stich.

Dazu passte auch das Pech bei ihren Abschlüssen in der Schlussphase: James Ndubuezes Distanzschuss lenkte Otremba über die Latte (80.), eine Eingabe von Louis-Nathan Stüwe köpfte Staakens Kohlmann an die eigene Latte (83.), ein Kopfball Steins wurde auf der Linie geklärt (84.) und als in der 89. Minute noch ein abgefälschter Schuss von Valentin Henneke unhaltbar für Otremba, der auf dem Weg in die andere Ecke war, auf dem Weg ins Tor schien, flog die Kugel um wenige Zentimeter vorbei. Einzige Möglichkeit auf Staakener Seite nach dem Wechsel war ein Schuss von Gigold, der die Unterkante der Latte des Zehlendorfer Gehäuses traf (86.).

Die Zehlendorfer scheiterten somit an ihrer eigenen Abschlussschwäche, doch auch die Glücksgöttin Fortuna war nicht mit ihnen im Bunde. Dabei mussten die Gäste ihrem hohen Anfangstempo Tribut zollen, im zweiten Abschnitt zogen sie sich immer weiter zurück und begannen derart auf Zeit zu spielen, wie man es lange nicht mehr gesehen hat. Bei älteren Zuschauern wurden (böse) Erinnerungen wach an das Jahrhundert-Spiel 1970 zwischen Deutschland und Italien, als Reporter-Legende Kurt Brumme immer wieder feststellen musste „Nun ist schon wieder ein Italiener verstorben!“ Mehrfach lagen Staakener Akteure minutenlang auf dem Rasen, rafften sich wieder auf, um schließlich auf der Auslinie (aber noch innerhalb des Feldes) doch noch zusammenzubrechen und sich behandeln zu lassen. So sehr ihre kämpferische Leistung zu loben ist, ein derartiges Theater raubte jegliche Sympathiepunkte.

Auf Zehlendorfer Seite gab es am Einsatz und Willen nichts auszusetzen – zumindest nicht ab der 30. Minute. Was zu bemängeln wäre (neben den Defiziten im Abschluss) sind die Ausführungen der Standards. An eine derartige Anhäufung von kurz aufgeführten Ecken, die allesamt hängen blieben, kann man sich kaum erinnern. Dabei lauerten mit Stüwe und Stein zwei Kopfball-Hünen im Strafraum. Die Versuche, die beiden direkt zu bedienen, scheiterten ebenfalls: Entweder lag „Schnee auf den Bällen“ oder sie kamen in Knöchelhöhe hereingeflogen.

Doch solche Tage gibt es im Sport. Die Zehlendorfer müssen nur aufpassen, dass sie nicht noch eine andere Statistik einholt: In den vergangenen Jahren folgte auf einen Rückschlag unmittelbar der nächste. Am kommenden Sonnabend haben sie in Stahnsdorf Gelegenheit auf Wiedergutmachung. Wer in die enttäuschten Gesichter blickte, zweifelt nicht daran, dass sie mit Wut im Bauch auflaufen werden. Angesichts der Ausgeglichenheit der Liga ist die Niederlage ohnehin kein Beinbruch, eher ein Tritt vor das Schienbein – schmerzhaft, aber nicht gravierend. 

 

FC Hertha 03 – SC Staaken 0:1 (0:1)

Hertha 03: Kühn; Stüwe, Stiller (62. Razeek), Stein, Praus (78. Ndubueze); Cami, Obst, Henneke (90. + 1 Kinner), Burda; Grabow, Ernst 

Das Tor: 0:1 Paris (14.)

Zuschauer: 183

 

Gelbe Karten: Stiller, Ernst,Praus

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