F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

14.12.2015 / 1. Herren

Selbstbewusste Zehlendorfer mit vielen Qualitäten

Schattes Bauchentscheidung / Entspannter Herbstmeister

Zu später Stunde, die Weihnachtsfeier des Herbstmeisters Hertha 03 Zehlendorf strebte ihrem Höhepunkt entgegen, fiel folgender Satz: „Und jetzt denke mal an die Rückfahrt im Bus nach dem Seelow-Spiel...“ Hans-Karsten Stolze, der in der vergangenen Saison noch als Interims-Co-Trainer aushalf, als Not am Mann war, hatte die Bilder jenes Augenblicks deutlich vor Augen. Hinter ihm saß eine niedergeschlagene Mannschaft, die sich ihren Saisonauftakt so ganz anders vorgestellt hatte. Mit 0:2 war man dem Aufsteiger Victoria Seelow unterlegen. Jetzt aber tobte um Stolze herum eine ausgelassene Schar junger Fußballer, die eine bemerkenswerte erste Saisonhälfte abgeliefert hatten.

Bevor es so eine Art vorweihnachtliche Bescherung gab, hatte man am Nachmittag zuvor viel Mühe mit dem Kontrahenten aus Altlüdersdorf. Die Zehlendorfer fanden nicht so richtig in Tritt. Unaufmerksamkeiten und Ungenauigkeiten hemmten den beinahe schon so gewohnten Rhythmus. Als in der 34. Minute auch noch Burak Mentes mit einem Foulelfmeter am Altlüdersdorfer Keeper Iltri scheiterte, bestand die Gefahr, dass die Partie einen anderen Verlauf nimmt, als man ihn sich im Zehlendorfer Umfeld gewünscht hatte. Doch für das gesteigerte Selbstvertrauen der „kleinen Hertha“ sprach die Aussage ihres Mittelfeldakteurs Felix Robrecht nach den 90 Minuten: „Ich hatte nie das Gefühl, dass wir die Begegnung vielleicht nicht gewinnen könnten.“

Erneut mussten die Berliner auf ihren Regisseur „Maxi“ Obst verzichten, der sich mit Leistenproblemen herumplagt. Doch anstatt erneut auf Miguel Unger zurückzugreifen, entschied sich Trainer Schatte für die offensivere Variante mit Cüneyt Top. Keine leichte Entscheidung für den Trainer, der diese eher „aus dem Bauch heraus“ getroffen hatte, denn Unger hatte in den Spielen davor durchaus überzeugt. Und es war keine schlechte Wahl, denn Top zeichnete später für den Führungstreffer verantwortlich.

Tops 1:0 brach den Bann und kam der Zehlendorfer Spielweise sichtlich entgegen. Über ihre schnellen Spitzen Warwel, Top und Gakpeto bot sich so manche Kontergelegenheit, „die wir aber wie so häufig nicht konsequent bis zu Ende gespielt haben,“ wie Team-Manager Timo Steinert später zu Protokoll gab. „So mussten wir bis zum Schluss um den Sieg bangen.“ Dass dieser hochverdient war, daran ließ er aber keinen Zweifel. Erst Warwels 2:0 in der Nachspielzeit erlöste die Gastgeber endgültig. Richtig: „Effi“ Gakpeto ging dieses Mal leer aus. Aufgrund der dennoch erfolgreichen Partie blühte hinterher der Flachs ob seiner gerissenen Serie. Fünf Punktspiele hintereinander bewies Gakpeto seine Treffsicherheit, keine schlechte Bilanz. Dazu sei noch anzumerken: Den Führungstreffer bereitete er artistisch vor. Somit trug er doch einen wesentlichen Anteil am Erfolg.

Dass die Berliner solche Spiele dennoch immer wieder gewinnen, liegt an ihrem Defensivverbund. Kapitän Erdal Özdal und Robert Schröder haben sich zu einem der besten Innenverteidiger-Duos der Liga entwickelt. Wie sie in kritischen Situationen immer wieder die Ruhe bewahren, notfalls rustikal auch mal dazwischenhauen, wenn es gefragt ist, verleiht den Zehlendorfern eine Stabilität, auf die sie aufbauen können. „Wir mussten einfach geduldig bleiben, schließlich war uns klar, dass man Altlüdersdorf nicht mal so mit vier, fünf Toren weghaut“, verriet der Kapitän später das Rezept. Wenn es immer so einfach wäre. An ihrer Seite haben sich Dennis Dombrowe, der nach Wochen fast schon unheimlich anmutender Leistungen in der ersten Hälfte einige Schwierigkeiten hatte, sich später aber deutlich steigerte, Mike Ryberg und Fabien Thokomeni-Siewe zu festen Größen des Herbstmeisters entwickelt. Gerade der aus Hermsdorf gekommene dynamische Außenverteidiger hat es Trainer Schatte angetan: „Für mich die Überraschung der Hinrunde!“

Darius Niroumand geht im ganzen Trubel um Laufwunder „Maxi“ Obst, die fantastischen Spitzen Gakpeto, Warwel, Top und die geschlossene Abwehr immer etwas unter, ähnlich wie Burak Mentes. Was diese beiden aber für das Team leisten, ist nur schwer an Statistiken ablesbar. Ein bekannter Basketball-Trainer hat die Funktion dieser Art Spieler einmal wie folgt beschrieben: „Sie sind der Klebstoff, der die Mannschaft zusammenhält“. Umso ärgerlicher wäre es gewesen, hätte Mentes in der Nachspielzeit für sein heftiges – wenn auch verständliches – Reklamieren die Rote Karte gesehen. Eine Pause zum Rückrundenauftakt gegen Seelow wäre die Folge gewesen. Stattdessen beließ es Schiedsrichter Kohnert bei Gelb. Übrigens die erste Verwarnung für Mentes in dieser Spielzeit. Beinahe noch beachtenswerter: Darius Niroumand geht völlig unvorbelastet in die Rückserie. Zehlendorfs „Sechser“ scheint in dieser Saison an Reife gewonnen zu haben.

Ein glückliches Händchen bewiesen die „Macher“ des Programmheftes. Das Titelbild zierten die beiden Torschützen. Später mussten Warwel und Top darauf eifrig Autogramme schreiben – für ihre Väter! Ansonsten bilden die beiden ein treffsicheres Trio gemeinsam mit Efräim Gakpeto. Die Ausgeglichenheit der Spitzen ist auch eines der Erfolgsrezepte der Berliner: Sie sind nur schwer zu berechnen. Hatte man mit Niclas Warwel als verlässlichen Torschützen schon rechnen dürfen, so überraschte die Entwicklung der beiden anderen. „Mit „Effis“ Entwicklung hatte ich nicht so gerechnet“, gestand Markus Schatte vor einigen Wochen, und auch die Vollstreckerqualitäten Cüneyt Tops sind neu. Er glänzte eher als unberechenbarer Wirbelwind und Vorlagengeber. Hier haben die Zehlendorfer eine Bonuskarte erhalten, die sie vorher nicht in ihrem „Blatt“ hatten.

Wir haben immer wieder drauf hingewiesen, und es hat auch weiterhin Bestand: Die „Bank“ wird im Verlauf der Meisterschaft noch eine große Rolle spielen. Wenn die Sperren drohen, wird sich zeigen, wer Verluste am besten auffangen kann. Die Erfahrungen, die man in der Hinrunde gesammelt hat, waren wertvoll. Miguel Unger und Felix Robrecht kann man jederzeit in die Partie „werfen“, ohne Qualitätsverlust zu erleiden. Die jungen Akteure wie Samuel Agyei-Yeboah und Jian Schleiff haben schon, auch wenn die Einsatzzeiten noch überschaubar sind, bewiesen, dass sie, wenn sie die körperliche Umstellung auf den Männerbereich verkraftet haben, so viel an Qualität mitbringen, dass sie in jedem Fall eine Bereicherung darstellen. Gleiches gilt wohl für Carl Hopprich, wenn er auch aufgrund seiner schweren Verletzung noch nicht einmal trainieren konnte. Kann man aber den Aussagen von Schatte und Steinert Glauben schenken, können sich die Berliner noch auf ein großes Talent freuen. Kehren dann noch die verletzten Marc Zellner, Lukas Binting und Dennis Voigt zurück, scheint genug Potenzial vorhanden, was die Zehlendorfer in die Lage versetzt, wahrscheinlich auf Nachverpflichtungen verzichten zu können.

Die Tatsache, dass die „kleine Hertha“ auch in den Begegnungen mit den Aufstiegskandidaten aus Fürstenwalde (3:1) und Lichtenberg (3:1) sowie gegen Tennis-Borussia (1:1) mithalten konnte, bietet Hoffnung auf weiteren Bestand Herthas im Feld der Titelaspiranten. Was für die Zehlendorfer spricht: Die Mannschaft wird mit keinerlei Druck aus dem Umfeld belastet. Wie es Präsident Niroumand auf der stimmungsvollen Weihnachtsfeier ausdrückte: „Sollten wir Meister werden und in die Regionalliga aufsteigen, dann machen wir das. Gelingt uns das nicht, geht die Welt auch nicht unter.“ Diese Gelassenheit kann in der späteren Phase des Titelrennens, wenn auch die Nerven eine Rolle spielen, zum Zünglein an der Waage werden. Bleiben die Konkurrenten auch so entspannt?

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