F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

08.05.2023 / 1. Herren

Restlos bedient

„Kleine“ Hertha in den letzten sieben Minuten geschockt – 2:3 in Neuruppin

Als der Neuruppiner El Mhamdi in der 90. Minute einen blitzsauberen Konter erfolgreich abschloss und Zehlendorfs Schlussmann Jasper Kühn mit einem strammen Schuss zum 3:2-Sieg ins lange Eck überwand, musste die „kleine“ Hertha ihre ohnehin nur noch zarten Aufstiegshoffnungen ad acta legen. Ganz überraschend kam das, angesichts einer durchwachsenen Rückrunde, schon nicht mehr. Dabei hatte es zehn Minuten zuvor noch ganz anders ausgesehen.

Nach ihrer ansprechenden Partie in der Vorwoche (1:1 gegen TuS Makkabi) reisten die Berliner durchaus selbstbewusst zum Tabellen -16., der seit 13 Spielen sieglos geblieben war und auf seinen letzten Heimerfolg lange zurückblicken musste: Es war im Oktober 2022. Die ersten Achtungszeichen setzten zwar die Gastgeber (Bryzhchuk und El Mahmdi), doch schnell übernahmen die Schützlinge von Trainer Robert Schröder die Spielkontrolle, ein erster Abschluss von „Maxi“ Obst geriet zu schwach (12.). Doch dann geschah etwas, was sich wie ein roter Faden durch den gesamten Saisonabschnitt nach Neujahr zieht: Die Zehlendorfer gerieten nach einem Konter überraschend in Rückstand. Auf der linken Seite überlaufen, auf der rechten nicht eng genug am Mann, Neuruppins Dimitroff war der Nutznießer (17.). Drei Minuten später hatten die Berliner sogar Glück, nicht 0:2 im Rückstand zu liegen, denn Hramatik knallte die Kugel aus großer Distanz an die Unterkante der Latte (20.). Wie anfällig aber auch die Gastgeber sind, wurde beim Ausgleich deutlich: Kopfball Obst, der Ball tippte auf, der junge MSV-Torhüter Pöhl unterlief den Ball, Marius Ihbe musste das Leder nur noch zum 1:1 über die Linie drücken (23.). 

„Ihr seid einfach besser“, hieß es aus dem kleinen aber lautstarken Zehlendorfer Fan-Block, und die Mannschaft machte sich daran, den Nachweis zu liefern, aber Möglichkeiten von Lenny Stein (30.) und Oskar Praus nach einer Ecke von George Didoss (34.) blieben ungenutzt. Trotz spielerischer Überlegenheit waren es doch immer wieder Ungenauigkeiten und ungewohnt viele Stockfehler, die weitere Abschlüsse verhinderten. Stattdessen musste Kühn kurz vor der Pause einen Rückstand gegen Schölzke verhindern (43.).

Nach der Pause wurde die Zehlendorfer Überlegenheit noch größer, teilweise wurden die Gastgeber im eigenen Strafraum eingeschnürt, doch gefährlich wurde es vor dem Tor selten. Entweder wurde beim Abschluss zu lange gezögert, umständlich ein noch besser postierter Nebenmann gesucht oder ein Haken zu viel gemacht. Die größte Chance ergab sich nach einem Pass von Arthur Langhammer auf Obst, der den Ball artistisch verarbeitete und sofort abzog, den geblockten Schuss nahm Carl Hopprich direkt, doch verfehlte sein Versuch das Ziel, links flog die Kugel vorbei (62.).

Als man sich angesichts Neuruppiner Harmlosigkeit und Zehlendorfer Abschlussschwäche mit einem 1:1 abzufinden schien, überschlugen sich die Ereignisse. Dabei schien sich die Waage zunächst zugunsten der Berliner zu neigen. Jason Rupp brachte sein Team per Kopf ins lange Eck mit 2:1 in Führung (78.). Wer aber auf Berliner Seite glaubte, angesichts der schlechten Tabellenlage und des bisherigen Spielverlaufs, die Entscheidung wäre gefallen, wurde eines besseren belehrt, denn der MSV rappelte sich noch einmal auf. Die Berliner drängten auf die Entscheidung, liefen in einen Konter, der nur durch Foulspiel gestoppt werden konnte. Den fälligen Freistoß zirkelte Blumenthal maßgenau aus rund 30 Metern in den rechten Winkel, Kühn blieb keine Chance (83.). Im verzweifelten Bemühen, doch noch die drei Punkte zu ergattern, kam es, wie es (angesichts vieler ähnlicher Erlebnisse in der Rückrunde) fast zu befürchten war – siehe oben.

Die „kleine“ Hertha war restlos bedient. Wortlos, geschockt und fast ohne Regung schlichen die Akteure in die Kabine. Noch lange nach Spielschluss stand Trainer Schröder mit gesenktem Kopf am Spielfeldrand. Das Resultat war allen in die Glieder gefahren. „So ein wunderbarer Sonnen-Tag, und dann versauen wir uns den auf diese Weise“, schüttelte Mittelfeldspieler Carl Hopprich bei der Ankunft in Berlin den Kopf. Es waren die ersten Worte, die seit dem Abpfiff gesprochen wurden. Totenstille herrschte auf der gesamten Heimfahrt. Der, seit Hansa Rostocks Zweitliga-Erfolg gegen Jahn Regensburg, ohnehin nur noch vage Aufstiegstraum war wie eine Seifenblase innerhalb von sieben Minuten zerplatzt. „Wir sind in der Rückrunden-Tabelle nur auf Platz 9“, erkannte Co-Trainer Pedro Cardoso richtig. Bilanz: 4 Siege – 5 Unentschieden – 4 Niederlagen. 5 Spiele gegen die letzten 7 der Tabelle, dabei nur ein Sieg. Trainer Schröder wehrt sich vehement gegen die These, dass es an den Winterabgängen und Verletzungen liegt. Doch Louis-Nathan Stüwe, Zulu Ernst und Valentin Henneke waren nicht nur leistungsmäßig Führungsspieler, sie machten ihre Mitspieler auch besser und verliehen dem gesamten Team die Stabilität, die in der Rückrunde abhanden gekommen ist. Dennoch: Dazu noch weitere unglückliche Umstände (lange Verletzungen von Tim Grabow, Arthur Langhammer, zum Teil Carl Hopprich und „Maxi“ Obst) verkraftet jede Mannschaft nur schlecht. Was fehlte? Ein verlässlicher Knipser, der für 15 Tore gut ist und so manchen (überflüssigen) Punktverlust verhindert hätte. Nun gilt es, die Saison vernünftig zu Ende zu spielen, denn tatsächlich, so kam einem zu Ohren, werden auch in den letzten vier Partien noch jeweils 3 Punkte vergeben. Und auch, um das zarte Pflänzchen einer Fan-Gruppe nicht gleich mit Füßen zu zertrampeln, schließlich waren die Jugendlichen nach Rathenow nun auch auf eigene Kosten gen Neuruppin gereist. Nach einem vernünftigen Saisonabschluss beginnt auch für den Fan die interessante Phase, welche Formen der neue Kader annehmen wird. Ein Umbruch scheint, nicht nur wegen der zuletzt ausbleibenden Ergebnisse, anzustehen. Zum Abschluss sei noch an eines erinnert: Die Saison (die ja noch läuft) war keinesfalls erfolglos. Das Team hat trotz etlicher Handicaps lange um den Aufstieg mitgespielt, hat junge Spieler, größtenteils Eigengewächse, wie Eric Stiller, Jasper Kühn, Jonas Burda, Oskar Praus, Cenker Yoldas und zuletzt noch Luis Millgramm und George Didoss (beides A-Junioren) eingebaut. Der Ex-Zehlendorfer Mike Ryberg hatte es gestern Abend auf facebook perfekt ausgedrückt. So auf junge Spieler zu setzen, dabei noch erfolgreich zu sein, diesen Mut muss man erstmal haben. Das dürfen die letzten Resultate nicht überlagern.

 

MSV 1919 Neuruppin - F.C Hertha 03 Zehlendorf 3:2 (1:1)

FC Hertha 03:  Kühn, Stein, Dombrowe, Praus, Obst, Didoss (82. Yoldas), Sow Sow (46. Burda), Langhammer 73. Stiller), Hopprich (73. Millgramm), Ihbe ( 46. Rupp) , Cami

Die Tore: 1:0 Dimitroff (17.), 1:1 Ihbe (23.), 1:2 Rupp (79.), 2:2 Blumenthal (83.), 3:2 El Mhamdi (90.)

Zuschauer: 97

Gelbe Karten:  Dombrowe

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