F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

27.09.2016 / 1. Herren

Olli's Nachbetrachtung 6.Spieltag

-im Zeitungsstil und als Text-

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Den Blick nach unten richten“

Vierter Platzverweis im sechsten Spiel / Punkt in Nachspielzeit gerettet

Als der eingewechselte Djan-Okai die Gäste aus Altlüdersdorf in der 90. Minute 3:2 in Führung geschossen hatte, schien „die Messe bereits gesungen“. Die Zehlendorfer hatten im zweiten Abschnitt ihrem Kontrahenten das Geschehen weitestgehend überlassen und waren spätestens nach dem Feldverweis für Erdal Özdal (64.) nur noch darauf bedacht, das Remis über die verbleibende Zeit zu retten. Doch wie aus dem Nichts schlug die „kleine Hertha“ noch einmal zurück. In der Nachspielzeit erreichte Stürmer Faton Ademi einen hoch in den Strafraum geschlagenen Ball vor SVA-Torhüter Itri, spitzelte ihn über den Schlusmann hinweg, der heranstürmende Schröder müsste das Leder nur noch über die Linie drücken. 

So kamen die Zehlendorfer um die dritte Niederlage in Folge zwar herum, doch wirklich glücklich schien hinterher niemand zu sein. „Nicht gut gespielt, aber wenigstens einen Punkt mitgenommen“, traf Geschäftsführer „Zippo“ Zimmer nach den dramatischen 90 Minuten den Nagel auf den Kopf. Vorgenommen hatten sie sich, erst einmal in der Defensive sicher zu stehen und vorne über ihre schnellen Offensivkräfte Warwel, Zellner, Ademi und Bokake-Befonga Nadelstiche zu setzen. Und sie erwischten einen Start nach Maß: Doch weder Ademis schnelles 1:0 (4.) - sein sechster Saisontreffer - noch Warwels 2:1 (17.), der den Ausgleichstreffer durch Grabczewski (9.) schnell beantwortete, gaben die nötige Sicherheit. 

Bezeichnend für die derzeitige Zehlendorfer Situation war die Szene, die zum 2:2-Ausgleich führte. Im Anschluss an eine Ecke kam der Ball im Berliner Strafraum über mehrere Altlüdersdorfer Stationen schließlich zu Sidorowicz, der das Leder aus fünf Metern an Hinz vorbeispitzelte. Den Gastgebern fehlt derzeit die Sicherheit und das Selbstvertrauen, eine Führung zu behaupten oder gar auszubauen. Es waren im sechsten Spiel bereits die Gegentore Nummer 11 bis 13, die sie hinnehmen mussten. Da wird es selbst bei immerhin 15 eigenen erzielten Treffern schwer, die notwendigen Siege einzufahren. Ein Grund mag darin liegen, dass Trainer Schatte immer wieder gezwungen ist, seine Abwehrreihe umzubauen. Werden ihm Dennis Dombrowe, dessen Kreuzbandoperation gut verlaufen ist, und Marco-Antonio Fortino (Knie) vermutlich die komplette Spielzeit fehlen, musste er kurzfristig auch noch auf Lukas Binting verzichten, den eine Innenbanddehnung außer Gefecht setzte. Und der nach seiner „Gelb-rot-Sperre“ zurückgekehrte Erdal Özdal brachte es fertig, nach 64 Minuten erneut des Feldes verwiesen zu werden (2. Platzverweis im dritten Spiel). „Danach ging es nur noch darum, dass Unentschieden zu sichern“, wie Jian Schleiff hinterher zugab. So wird Schatte im kommenden Auswärtsspiel in Wismar erneut Veränderungen vornehmen müssen

Die Zehlendorfer müssen aufpassen, nicht den Stempel als Rauhbeine der Liga aufgedrückt zu bekommen, denn mittlerweile sind sie bei vier Feldverweisen (außerdem noch Obst & Niroumand) in sechs Begegnungen angelangt. Während sie in der Fair-Play-Wertung bereits abgeschlagen am Ende liegen, ist es rein sportlich betrachtet noch nicht ganz so hoffnungslos.

Dennoch ist Obacht geboten. Es wäre zu einfach, reflexartig nur auf die (durchaus) vorhandenen Qualitäten hinzuweisen, die man einfach (am besten per Knopfdruck) abrufen müsse. Schon qualitativ deutlich besser besetzte Mannschaften gerieten in Schwierigkeiten, weil sie eine missliche Situation zu lange ignorierten. Von diesem Fehler scheinen die Zehlendorfer noch entfernt, denn längst richten sich ihre Blicke nach unten, wie Team-Manager Timo Steinert in seinem Kommentar preisgibt. Kein Wunder angesichts von nur zwei Zählern Abstand zu Abstiegsrang 15. Auch Hertha-Trainer Schatte hat die Probleme erkannt: „Wir spielen nicht den Fußball, den wir spielen wollen. Wir müssen aus der Misere herauskommen.“

Was nachdenklich stimmt: Von den bisherigen sechs Zehlendorfer Gegnern haben sich vier in der Tabelle hinter ihnen eingereiht. Mit anderen Worten: Die schweren Brocken folgen noch. Von den kommenden fünf Kontrahenten, gehören nicht weniger als vier der Spitzengruppe an: FC Anker Wismar (3.), CFC Hertha 06 (1.), Germania Schöneiche (12.), VSG Altglienicke (4.) und FSV Optik Rathenow (6.). Da sind keine hellseherischen Fähigkeiten vonnöten, um zu erkennen, dass die Hauptlast zukünftig auf der Defensive liegen wird.

Dennoch hat die „kleine Hertha“ genügend Säulen in der Mannschaft, an der sich das gesamte Team aufrichten kann: Robert Schröder und Nico Hinz gehören seit Wochen zu den besseren Spielern, Burak Mentes und Mike Ryberg haben längst nachgewiesen, dass sie auch für höhere Aufgaben geeignet sind und Niclas Warwel war in der Sommerpause nicht ohne Grund einer der begehrtesten Akteure. Und mit Faton Ademi haben sie einen Vollblutstürmer hinzugewonnen, der beständig trifft. Sie müssen mit gutem Beispiel voraus gehen.

Wir haben es bereits geschrieben, wenn es auch nicht jeder so sieht: Im „zweiten Anzug“ fehlt es an „gestandenen“, erfahrenen Kräften. Von jungen, entwicklungsfähigen Spielern, wie sie die Zehlendorfer in Bokake-Befonga, Hopprich (obwohl Nationalspieler auch erst 20), Schleiff (zudem lange verletzt), Agyei-Yeboah, Sabanovic und Vassiliadis besitzen (selbst Binting, Ademi und Robrecht sind nicht älter als 22), darf man nicht erwarten, dass sie die „Karre aus dem Dreck“ zu ziehen. Aber sie haben allesamt die Qualität, sich an der Seite der oben Genannten zu steigern und ihre Stärken für das Team einzubringen.

Im modernen Fußball ist man heute schnell gern bei der flachen Hirarchie. Das funktioniert im Erfolgsfall tadellos, birgt jedoch so manches Risiko in misslicher Lage. Doch wie oben erwähnt: Die Zehlendorfer haben Säulen in ihrem Team. Sie müssen, gemeinsam mit dem Trainerteam, die Richtung bestimmen und auch wieder lernen „gemeinschaftlich zu verteidigen“ (Timo Steinert). Wenn auch seit vergangenem Sonntag die Saisonziele (60 Punkte, weniger Gegentore als im letzten Jahr) weit in der Hintergrund gerückt sind, müssen die Zehlendorfer die Köpfe längst nicht hängen lassen. Wichtig wird sein, dass die Herthaner in den kommenden Wochen die Ruhe nicht verlieren. Und so paradox es klingen mag: Vielleicht kommen die folgenden Gegner nicht zur Unzeit, sondern gerade im rechten Moment. Eine vor Selbstbewusstsein strotzende Wismarer Elf (gerade 4:1-Sieger in Brieselang) ermöglicht den Zehlendorfern vielleicht genau die Räume, die ihre schnellen (jungen) Spitzen benötigen.

Unsere Einstellung hat gestimmt“

Stimmen zum glücklichen 3:3 gegen den SV Altlüdersdorf

Zippo“ Zimmer (Geschäftsführer): „Nicht gut gespielt, aber wenigstens einen Punkt mitgenommen“

Jian Schleiff: „Nach Erdals (Özdal) Platzverweis war es für uns nahezu unmöglich, noch zu Chncen zu kommen. Da lag die Hauptaufgabe nur noch darin, das Unentschieden zu sichern. Nach dem 2:3 glaubt man eigentlich nicht mehr daran, noch einen Punkt mitzunehmen. Aber unsere Einstellung hat gestimmt, und wir hatten auch das notwendige Quäntchen Glück. Aber zufrieden können wir wieder nicht sein.“

Darius Niroumand: „Am Ende können wir froh sein, einen Punkt mitgenommen zu haben. Es war eine unglaubliche Schlussphase. Wir haben eine sehr gute erste Halbzeit gespielt. In der Defensive standen wir nicht so sicher, man muss aber auch sagen, dass wir in der letzten Zeit häufig umstellen mussten, bedingt durch Sperren und Verletzungen. Nach so einer ersten Halbzeit muss man das Spiel eigentlich gewinnen, in der zweiten Halbzeit gab es eine komplette Drehung um 180 Grad. Wir haben nur noch hinten drin gestanden und nicht mehr kontrolliert nach vorn gespielt. Wir müssen uns wieder auf uns selbst besinnen, da haben wir die nächsten Wochen genug mit zu tun.“

Wir müssen wieder gemeinschaftlich verteidigen

Ein Kommentar von Timo Steinert (Teammanger) zur Situation der „kleinen Hertha“

Wenn man in der 90. + 2 noch einen Punkt holt, muss man natürlich von einem glücklichen Unentschieden sprechen, was sich aber trotzdem anfühlt wie eine Niederlage. Dabei sind wir auf einen Gegner getroffen, der uns eigentlich nicht überlegen sein sollte. In der ersten Halbzeit haben wir das Spiel klar im Griff, da müssen wir auch deutlicher führen und dürfen nicht so einfache Gegentore bekommen. In der zweiten Halbzeit gab es einen kompletten Knick. Wir geben das Spiel völlig aus der Hand, stattdessen übernimmt Altlüdersdorf das Kommando und wir haben gar keine Torchancen mehr. Ich sag' es mal sarkastisch: Wir begünstigen Altlüdersdorf zudem noch, indem wir unseren „Rhythmus“ finden und die Partie wieder nicht vollzählig beenden. Soetwas habe ich wirklich noch nie erlebt. Aktuell stört mich insbesondere unser Defensivverhalten, wir haben bereits 13 Gegentore in sechs Spielen kassiert. Dabei hatten wir uns eigentlich als Ziel gesetzt, weniger Gegentore als in der Vorsaison zu bekommen. Dieses Ziel ist schon jetzt kaum noch zu erreichen. Ich würde mir von der Mannschaft in den nächsten Spielen eine gemeinschaftliche „Geilheit“ - wirklich jeder für und mit jedem - darauf wünschen, Spiele wieder zu „Null“ zu spielen, um auch wieder die notwendige Sicherheit zu erlangen. Denn machen wir so weiter, werden wir uns in der Tabelle dort wiederfinden, wo wir derzeit stehen. Wir haben natürlich auch extreme Ausfälle, wobei der von Dennis Dombrowe schon besonders wiegt. Das sieht man schon allein an der Tordifferenz, die wir haben. Nun droht auch Lukas Binting mit einer Verletzung auszufallen, Erdal Özdal und Darius Niroumand sind gesperrt. Das trifft uns schon hart und ist selbst bei einem großen Kader irgendwann nicht mehr zu kompensieren. Aber das Jammern hilft uns nicht weiter. Wir können die Situation nicht ändern, aber wir können das verändern, was auf dem Platz geschieht, d. h. wir müssen einfach wieder gemeinschaftlich agieren und vor allem verteidigen. Unseren schlechten Start müssen wir auch gar nicht schönreden, müssen aber als Mannschaft zusehen, dass wir den Blick nach unten richten, um dort auch gemeinsam als Team wieder herauszukommen.

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