F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

29.11.2015 / 1. Herren

Fußballatmosphäre am Siebenendenweg

Gakpeto trifft und trifft / Hohe Qualität auf der Bank

Schreib' doch nicht immer so kritisch, stell' lieber das positive an unserer Leistung heraus“ und „Bitte nicht wieder die Regionalliga erwähnen“. Zwei an sich widersprüchliche Aussagen zweier Zehlendorfer Verantwortlicher zeigen das ganze Dilemma, in dem sich die „kleine Hertha“ befindet. Das „Dilemma“ ist natürlich mit einem Augenzwinkern zu verstehen! Doch beiden Forderungen, erst recht nach der Partie vom Freitagabend, kann man nur schwer nachkommen. "Schuld" daran ist ihre eigene Mannschaft.

Kritisch deswegen: Die Zehlendorfer hatten in der Viertelstunde vor der Pause wieder eine Phase, in der man um sie bangen musste und für die zweite Halbzeit ärgste Befürchtungen hatte. Erst recht, weil man um den hohen Trainingsaufwand der Fürstenwalder wusste und anzunehmen war, dass der Spitzenreiter nach dem Wechsel noch „eine Schippe draufpacken“ würde. Solche Abschnitte gab es für die Berliner schon gegen Tennis-Borussia (erste Halbzeit), gegen Anker Wismar (Anfangs-Viertelstunde) und gegen Malchow (Schlussphase). Weil sie aber seit Wochen immer wieder Mittel und Wege finden, diese Passagen zu überstehen, fällt unweigerlich der Blick auf Punkt Zwei der Bitten. Schreiben wir es anders: Die „kleine Hertha“ genießt es, nach Abschluss eines Wochenendes ganz vorne zu stehen.

Wir haben in dieser Saison schon so einiges von den Zehlendorfern geboten bekommen. Die ersten 25 Minuten aber waren das beste, was bisher zu sehen war. Die Fürstenwalder erweckten ein wenig den Eindruck, vollkommen überrumpelt worden zu sein. Wie die Gastgeber den Ball laufen ließen und kombinierten, das war schon extrem hohes Oberliga-Niveau. Und Burak Mentes (6.) und Efräim Gakpeto (16.) gelang es auch, es in Zählbares umzusetzen. Dabei knüpfte Gakpeto an seine fast schon unheimlich anmutende Serie an: Seit dem 30. Oktober traf er in jedem Pflichtspiel. Doch zu Gakpeto später mehr.

Erst nach einer knappen halben Stunde fingen sich die Gäste und fanden zu ihrem Spiel. In diesen Minuten verloren die Berliner etwas ihre Linie. „Da haben wir nicht das gespielt, was wir eigentlich spielen wollten. Das war kritisch“, gab Co-Trainer Clemens Riewe hinterher zu. Die Berliner spielten nun vermehrt „lange Bälle“, die nur wenig Entlastung brachten. Nicht nur von außen gewann man den Eindruck, den Kapitän Özdal so wiedergab: „Die Pause kam gerade zur rechten Zeit. Da konnten wir wieder Ruhe reinbringen.“

Etwas Sorge musste man um „Maxi“ Obst haben. Leicht angeschlagen in die Partie gegangen („Es schmerzt schon heftig“), legte er ein Tempo vor, als hätte er von Trainer Markus Schatte die Anweisung erhalten, alles in die ersten 30 Minuten zu legen. Diese Power war kaum über 90 Minuten zu halten. In den besagten Minuten vor der Pause schien die Sorge nicht ganz unbegründet, doch nach dem Wechsel lief der Turbo wieder. Ein „Maxi“ Obst in der derzeitigen Verfassung kann für Zehlendorfer in den letzten beiden Begegnungen vor der Winterpause noch Gold wert sein.

Das soll nicht die Leistungen der anderen schmälern, denn Darius Niroumand hat schon recht: „Es war wieder eine geschlossene Mannschaftsleistung.“ Markus Schatte hat aus einer guten spielerischen Mannschaft seit seinem Dazutun ein komplettes Team geformt. Wie alle den Kampf annahmen und keinen Fuß zurückzogen als andere Qualitäten gefragt waren, macht in dieser Saison bisher den Unterschied. Die Rückkehr Robert Schröders und Erdal Özdals war unverzichtbar – auch wenn es dadurch zu Härtefällen kam. Auch hierzu später mehr. Beide wirkten wie die Felsen in der Brandung, an deren Seite Dennis Dombrowe an seine beeindruckende Form der Vorwochen nahtlos anknüpfte. So brandeten die Angriffswogen der Fürstenwalder zwar Richtung Nico Hinz, doch ernsthaft Gefahr entstand nur selten. Und wenn, stand ein sicherer Schlussmann zwischen den Pfosten. Wie schon kürzlich erwähnt: Der Berliner ist grundsätzlich ein kritischer Genosse. Der von der Tribüne vernommene Satz „An den Nico Hinz haben wir uns inzwischen gewöhnt“, darf als höchstes Lob verstanden werden.

Wer am Freitag einen Blick auf die im Dunst des Nebels liegende Ersatzbank warf, konnte einen Eindruck gewinnen, was weiter oben unter Härtefälle gemeint war. Da saßen einmütig nebeneinander: Cüneyt Top und Felix Robrecht, beide beim 3:1-Erfolg in Wismar mit starker Partie, die Nachwuchstalente Jian Schleiff und „Samu“ Yeboah, die beide ihre Oberligatauglichkeit schon bewiesen haben und – ach ja, Niclas Warwel, seines Zeichens bester Torjäger mit sechs Treffern, der die Reise nach Wismar aber nicht antreten konnte. Wohl dem, der solch eine Auswahl hat. Sie kann, wenn denn die Entscheidung im Frühjahr ansteht, den Unterschied ausmachen.

Als sich die Kontergelegenheiten der Berliner häuften, machte „Effi“ Gakpeto nach schöner Vorarbeit von Cüneyt Top und Mike Ryberg den „Sack zu“ (79.). „Effi hat seine Kaltschnäuzigkeit aus der Berlin-Liga in die Oberliga mitgenommen“, zeigte sich Clemens Riewe von der Entwicklung des Stürmers angetan. Wie er es häufig mit drei, vier Gegenspielern aufnahm, den Ball dennoch sicher behauptete, löste auf der Tribüne Begeisterung aus.

Überhaupt die Tribüne: Was die 3. Herrenmannschaft veranstaltete, ließ die Hoffnung aufkommen, dass die Zehlendorfer vielleicht eines schönen Tages auf soetwas wie einen Heimvorteil zurückgreifen könnten. Es herrschte Fußballatmosphäre am Siebenendenweg wie seit Jahren nicht. Die obligatorische La-Ola nach Spielschluss vermittelte ein Gefühl vom Fußball gehobener Klasse. Trainer Markus Schatte ließ sich jedenfalls nicht lumpen und spendierte dem stimmgewaltigen Anhang im Golden Goal eine Runde.

Eine wichtige Erkenntnis des Wochenendes: Augenblicklich scheint es kein Team zu geben, das die anderen dominiert. Fürstenwalde unterlag sowohl bei Tennis-Borussia als auch in Zehlendorf, die Borussen selbst dagegen schwächeln derzeit bei den vermeintlich leichten Aufgaben (Hertha 06, 1.FC Frankfurt). Das bringt uns wieder zu den Zehlendorfern. Vor Wochen betrachteten wir es von dieser Seite: Man hatte alle Mannschaften aus der unteren Hälfte geschlagen, die schwierigen Gegner standen bevor. Nun, auch nachdem ein wenig Bewegung in die Tabelle gekommen ist, sieht es so aus: Gegen die vier hinter ihnen platzierten Teams holte die „kleine Hertha“ zwei Siege (jeweils 3:1 gegen SV Lichtenberg 47 und Union Fürstenwalde), ein Remis (Tennis-Borussia 1:1) und unterlag nur bei Hansa Rostock (0:3). Das gibt zu Hoffnungen Anlass, mehr noch nicht.

Die „inoffizielle“ Herbstmeisterschaft biegt auf die Zielgerade ein. Für diejenigen, die ein wenig rechnen wollen, präsentieren wir hier die Ansetzungen der führenden Teams:

FC Hertha 03 Zehlendorf (29 Punkte): Brandenburger SC Süd (A), SV Altlüdersdorf (H)

FSV Union Fürstenwalde (29 Punkte): 1.FC Neubrandenburg (H), CFC Hertha 06 (A)

FC Hansa Rostock II (27 Punkte): SV Lichtenberg 47 (A), FC Strausberg (H)

Tennis-Borussia (24 Punkte): BSV Hürtürkel (H), SV Germania Schöneiche (A), SV Altlüdersdorf (H)

SV Lichtenberg 47 (23 Punkte): FC Hansa Rostock II (H), SV Victoria Seelow (A)

Am kommenden Samstag gehen die Zehlendorfer erstmals als Tabellenführer auf Reisen. War die Vorbereitung auf die Partie gegen Union Fürstenwalde für Trainer Schatte von der Gesamtkonstellation ein leichtes Unterfangen – weil die Gefahr des Unterschätzens nicht gegeben war – so hat die Ansetzung in Brandenburg durchaus ihre Tücken. Denn wer jetzt glaubt – nach der Erklimmung der Tabellenspitze – zukünftig leichtes Spiel zu haben, kann sein blaues Wunder erleben. Doch weder das Umfeld noch der Charakter der Spieler geben zurzeit Anlass zur Sorge, hier könnte einer vom „Teppich abheben“. Diesen Zustand zu erhalten, wird die größte Aufgabe in Zehlendorf sein.

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