F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

26.11.2022 / 1. Herren

Früh die Weichen gestellt

Ernst und Ndubueze treffen beim 2:0-Sieg in Frankfurt / Ernst und Stein gegen Rostock „gelb-gesperrt“

Cenker Yoldas zögerte. Zehlendorfs Mittelfeldspieler war sich nicht ganz sicher, ob er die Anweisung seines Trainers Robert Schröder ernst zu nehmen hatte. Dieser forderte Yoldas auf der Heimfahrt energisch dazu auf, den Busfahrer aus einer engen Parklücke auszuweisen. Der Mannschaftsbus der „kleinen“ Hertha hatte bei einem Supermarkt einen kurzen Zwischenstopp eingelegt, damit sich die Spieler mit entsprechenden Kaltgetränken versorgen konnten. Ganz so zögerlich präsentierten sich Yoldas Mannschaftskollegen bei ihrem Auswärtsauftritt beim 1. FC Frankfurt nicht. Sie gewannen mit 2:0 und blieben den Spitzenteams aus Rostock auf den Fersen. Der Fahrer kam übrigens ohne Yoldas Zutun gut zurecht.

Auf die seit Wochen andauernde Verletzungsmisere hinzuweisen, ist fast schon ermüdend, bleibt einem aber nicht erspart. Zu den vielen Verletzten und den gesperrten Tim Grabow und Eric Stiller, deren Fehlen längst eingepreist war, gesellte sich im Verlauf der vergangenen 14 Tage nun auch noch Mushakir Razeek mit einer schweren Knieverletzung, seine Rückkehr wird frühestens für die Rückserie erwartet. So saß Torhüter Tom Köster als Feldspieler auf der Bank und kam in den Schlusssekunden tatsächlich auch zu seinem ersten Einsatz in der Saison.

Dafür erwischten die Zehlendorfer auf einem Nebenplatz des "Stadions der Freundschaft" einen Start nach Maß. Ein aus der eigenen Hälfte lang geschlagener Ball von Louis-Nathan Stüwe erreichte James Ndubueze, der sich in einem Kopfball-Duell durchsetzte und Zulu Ernst bediente. Der Torjäger wuselte sich geschickt durch, umkurvte noch Frankfurts Schlussmann Dominik Müller und schob zur frühen Führung ein (9.). Rund eine Viertelstunde war gespielt, als die „kleine“ Hertha nachlegte. Kopfball-Ablage Oskar Praus, der etwas vorgezogen spielte („Eine ungewohnte Position für mich. Das habe ich noch nie gespielt“), direkte Volley-Eingabe Jason Rupp, Ndubueze erfasste die Situation am schnellsten und köpfte zielgenau zum 0:2 ein (17.).

Die Zehlendorfer hatten früh die Weichen gestellt und kontrollierten fortan das Spiel, ließen die Gastgeber kaum in die gefährlichen Zonen und erspielten sich weitere Möglichkeiten auf dem glatten Kunstrasen. Rupps Direktabnahme nach einem Alleingang von Kapitän Stein durchs Mittelfeld (wo er sich überwiegend aufhielt) ging drüber (19.), Ernsts Versuch aus der Distanz wehrte Müller zur Seite ab (20.) und ein Fallrückzieher von Ndubueze strich links am Kasten vorbei (44.). Einzig ein Schuss von Marcel Georgi verfehlte das von Paul Büchel sicher gehütete Zehlendorfer Gehäuse (24.).

Trotz des scheinbar sicheren Pausenvorsprungs unkte Trainer Schröder: „Hier ein blödes Anschlusstor und die Partie kann auf diesem Geläuf schnell kippen.“ Als hätte es Schröder geahnt, kamen die Gastgeber mit Tempo aus der Kabine, drängten die Berliner an deren Strafraum und kamen auch zu Gelegenheiten. Innerhalb von 60 Sekunden bot sich Paul Bechmann zweimal die Chance zu verkürzen, wobei er beim zweiten Versuch frei vor Büchel auftauchte, der den Winkel geschickt verkürzte und den Anschlusstreffer verhinderte (47.). Wenig später musste Jonas Burda sogar auf der eigenen Torlinie klären (49.). Burda, dynamisch und zweikampfstark, bot ebenso wie die Abwehrreihe um Dennis Dombrowe, Stein und Stüwe eine gute Partie. „In der Viertelstunde nach der Pause verteidigen wir nicht konsequent.“, gab Büchel hinterher zu und erhielt Zustimmung von Praus: „Wir sind wirklich nicht gut aus der Pause gekommen.“ Für Team-Manager „Zippo“ Zimmer hatte seine Mannschaft „nach den zwei schnellen Toren eine gute Sicherheit und auch das Spiel kontrolliert. Umso fraglicher, warum in der ersten Viertelstunde nach der Pause so in Schwierigkeiten kommen. Da haben wir Glück gehabt, dass wir uns kein Gegentor gefangen haben.“

Nach 60 Minuten hatten die Berliner das Gröbste überstanden und ließen bis zum Ende nichts mehr anbrennen. Ndubueze aus der Drehung (52.), Rupp über die Latte (72.), Dombrowe-Freistoß auf den Torwart (72.), Valentin Henneke aus rund 20 Metern zu zentral (75.) verpassten allesamt, ihr Trainerteam (endgültig) zu erlösen.

In der anschließenden Pressekonferenz ging Trainer Schröder explizit auf die äußeren Bedingungen (Kunstrasen, keine „wirklichen“ Ersatzbänke) ein und gab ehrlich zu, verärgert zu sein, was er aber nicht als Kritik am Gastgeber verstanden wissen wollte. Die Stadt hatte das Stadion gesperrt, obwohl es äußerlich so aussah, als hätte problemlos gespielt werden können. Zu einem überregionalen Fußball gehört nach seinem Verständnis auch ein überregionaler Rahmen, der hier nicht gegeben war. Umso zufriedener war er mit seiner Mannschaft, die „sich den Gegebenheiten sehr gut angepasst und genauso gespielt hat, wie wir uns das vorgenommen hatten, indem wir das Mittelfeld schnell überbrücken. Wenn wir sauber spielen, können wir ein, zwei Tore mehr erzielen. Nach der Pause wurden wir zu nachlässig in unseren Aktionen, da müssen wir uns bei unserem Torhüter und der Abschlussschwäche der Frankfurter bedanken, dass wir heute mit einer „weißen Weste“ nach Hause fahren.

Ärgerlich nur: Trainer Schröder muss am kommenden Freitag (19:45 Uhr, Ernst-Reuter-Stadion) im Spitzenspiel gegen Tabellenführer Rostocker FC auf Stein und Ernst verzichten, die sich beide ihre 5. gelbe Karte einfingen – daher „ein schwer erkaufter Erfolg“. Steins Verlust ist insoweit (noch) erträglich, da Zehlendorfs Kapitän ohnehin auszufallen drohte. Stein reist am Dienstag zur deutschen Nationalmannschaft der Polizei, um am Donnerstag in Athen im EM-Qualifikationsspiel gegen Gastgeber Griechenland aufzulaufen. Zimmer dazu: „Es wäre schwierig gewesen, Lenny rechtzeitig nach Berlin zu bekommen.“ Doch die Sperre von Ernst war „vollkommen unnötig und ungeschickt“, wie der Torjäger später selbst leicht geknickt zugab. Wenige Minuten vor dem Abpfiff ging er weit in der gegnerischen Hälfte zu ungestüm in einen Zweikampf („um Druck zu machen“) und fehlt nun im Sturm an allen Ecken und Enden, da auch Tim Grabow noch ein Spiel (gesperrt) fehlt. „Das mit Zulu ist natürlich sehr ärgerlich, aber damit müssen wir leben“, haderte Zimmer noch weit nach Spielschluss.

Ansonsten ist es immer wieder beeindruckend, wie das junge Zehlendorfer Team auf die notwendig gewordenen Umstellungen reagiert. Derart gebeutelt ist es beileibe keine Selbstverständlichkeit, mit 32 Punkten nach 14 Partien zu den drei Spitzenteams zu gehören. Aus dem „Konzert der Großen“ scheint sich, was man so hört, Blau-Weiß 90 verabschiedet zu haben. Das Team zieht nach Ende der Spielzeit zurück, um zukünftig in der Berlin-Liga anzutreten. Eine Kooperation mit dem SV Tasmania, der ab dem folgenden Sommer die Regionalliga anpeilen möchte, war der Auslöser. Die „kleine“ Hertha geht am Freitag unter erschwerten Bedingungen in das Duell mit den stabilen Rostockern. Doch das die technisch so beschlagenen Berliner auch zu fighten verstehen, bewiesen sie vor gut zwei Wochen, als sie trotz doppelter Unterzahl den MSV Neuruppin unter Druck setzten. Sicher: Der Aufstiegskandidat aus der Hansestadt ist noch einmal von einem anderen Kaliber. Doch: Bangemachen gilt nicht!

1. FC Frankfurt - FC Hertha 03 0:2 (0:2)

Hertha 03: Büchel; Stüwe, Dombrowe, Stein; Burda (90.+2 Ott), Henneke (87. Yoldas), Rupp (82. Frölich), Praus, Cami; Ernst (90.+2 Köster), Ndubueze (82. Cross)

Die Tore: 0:1 Ernst (8.), 0:2 Ndubueze (17.)

Zuschauer: 85

Gelbe Karten: Stüwe, Ernst (5.), Stein (5.), Ndubueze

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