F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

19.08.2023 / 1. Herren

Erfolgreich angeknüpft

„Kleine“ Hertha übernimmt nach 4:1-Erfolg in Fürstenwalde Tabellenführung

Wer den Fußball nur aus dem Grunde liebt, dass er von der Spannung lebt, hätte gestern die Bonava-Arena in Fürstenwalde nach 36 gespielten Sekunden im zweiten Abschnitt ruhig verlassen können. Da hatte Eric Stiller nach einer vorausgehenden Traumkombination auf 4:1 für die „kleine“ Hertha gestellt, die in der Folge nichts mehr anbrennen ließ. Der verdiente Lohn waren drei Punkte und die Übernahme der Tabellenführung.

Die Zehlendorfer knüpften genau dort an, wo sie vor knapp einer Woche aufgehört hatten. Sie störten die Gastgeber früh in deren Hälfte und kamen zu Ballgewinnen in den gefährlichen Zonen. „Wir versuchen immer, den Ball hoch zu gewinnen, dann ist der Weg zum Tor kürzer“, gab der ballgewandte George Didoss dazu eine einfach Erklärung. Ein Freistoß Serhat Polats war die erste Folge. Seinen Schuss konnte Union-Keeper Sandro Soraru mit Mühe abwehren, der Nachschuss von Oskar Praus wurde zur Ecke geblockt, in deren Anschluss Sven Reimann über den Kasten köpfte (3.).

Die Gastgeber kamen nach einem Konter durch Julian Mätzke erstmals zum Abschluss, doch Torhüter Jasper Kühn zeigte sich auf dem Posten (10.). Zwischen der 21. und 25. Minute kamen die Zehlendorfer in jenen Spielfluss, der auf den Zuschauerrängen einen Raunen hervorrief. Balleroberung durch Didoss, gestern wieder auffällig durch Technik und Gewandtheit, Pass auf Albert Millgramm, dessen genaue Flanke Ismail Ceesay per Kopf rechts vorbei setzte (21.). Nach einer Ballstafette über den wieder auffälligen Sören Zeidler und Polat, gelangte die Kugel zu Didoss, dessen Schuss abgefälscht im linken Eck zur 1:0-Führung landete (22.). Ein „Murmeltor“ zwar, wie es auf der Tribüne hieß, dennoch eminent wichtig. 

Noch einmal zurück zu Zeidler: Wenn der lange Abwehrschlaks zu seinen Soli ansetzt, sieht es manchmal so aus, als würde sich ein Tanker in Bewegung setzen. Ist er jedoch einmal in Fahrt, staunt man, wie er seine Gegner nicht nur mit Wucht und Power überläuft, er besticht auch durch eine überraschend filigrane Art. Nicht wiederzuerkennen zum Vorjahr – ein echter Gewinn.

Ähnliches gibt es auch über Eric Stiller zu berichten. Im Vorjahr bereits Leistungsträger, hat er sich noch einmal gesteigert. Gemeinsam mit Didoss und den Millgramm-Zwillingen, hat er sich zum „König der Balleroberer“ entwickelt. So entspricht es keinesfalls dem Zufall, dass drei der vier Zehlendorfer Elfmeter in dieser Spielzeit durch ein Foul an ihm entsprangen. So eben auch gestern. Den Strafstoß verwandelte gewohnt sicher Kapitän Lenny Stein, der sich den Torwart „ausguckte“ und das Leder sicher und behutsam ins linke Eck schob: 2:0 (32.). Über Jahre glich die Suche nach einem sicheren Schützen in Zehlendorf der nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen. Gut, dass diese Lücke geschlossen wurde.

Zwar nicht „wie aus dem Nichts“, dennoch etwas überraschend fiel der Anschlusstreffer. Nach einer Kette unnötiger Tändeleien, kam Christian Mlynarczyk im 03er-Strafraum zum 1:2-Anschluss. Sein strammer Schuss war für Kühn nicht zu halten (38.). Im Rausch der Spielfreude und im Gefühl der Überlegenheit schlich sich hie und da Leichtsinnigkeit ein, was auch dem Durchschnittsalter des Teams geschuldet ist. So sah es auch Trainer Robert Schröder: „Was mir nicht gefallen hat, dass wir durch leichtfertige Ballverluste den Gegner immer wieder ins Spiel zurückgebracht haben. Das muss eine junge Mannschaft eben lernen, in brenzligen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen, die vielleicht nicht die schönste aber die zweckmäßigste ist.“

Wie gut, dass immer einer der „Millgramms“ an Bord ist. Seinem erfolgreichen Störversuch in der Fürstenwalder Hälfte folgte ein Beinschuss, der gleichzeitig zur Vorlage für Polat geriet, dessen Flachschuss unhaltbar zum 3:1 ins rechte Eck flog (45.+1). Vor dem Pausenpfiff zum psychologisch günstigen Zeitpunkt. „Wir haben es im ersten Abschnitt geschafft, sehr viel Umschaltmomente zu kreieren und über Ballbesitzspiel ein paar Chancen herauszuspielen“ beschrieb Schröder den ersten Abschnitt. 

Gerade 36 Sekunden waren die Mannschaften wieder auf dem Feld, da fiel die endgültige Entscheidung. Ausgehend von Stein, folgte eine Kombination zwischen Zeidler und A. Millgramm, dessen Flanke sein Bruder Luis aus der Luft vors Tor brachte, Stiller erzielte (in Madjer-Manier) mit der Hacke hinter dem Körper das 4:1 (46.). In Vorbereitung und Vollendung ein Traumtor oder ein „Bilderbuchangriff“, wie es Schröder bezeichnete. 

In der Folge ließ es die „kleine“ Hertha ruhiger angehen, wurde nachlässiger, ließ aber nichts mehr anbrennen und brachte den Sieg sicher „nach Hause“. Schröder gefiel dies nicht, zeigte dafür aber angesichts des klaren Spielstandes und der auch spät immer noch hohen Temperaturen Verständnis. 

Dass das Team durchaus selbstkritisch ist, zeigten nach Spielschluss die Mittelfeldmänner Cenker Yoldas und Polat. Yoldas: „Heute lief der Ball nicht so gut durch unsere Reihen wie in den letzten Partien. Gegen Stahnsdorf müssen wir wieder hellwach sein, das wird ein tolles Derby.“ Polat, wegen einer Knieverletzung zum Saisonauftakt noch verhindert, freute sich über seinen Treffer und eine Vorlage, bemängelte aber: „Wir hätten viel höher gewinnen müssen und nach dem Wechsel einfach klarer spielen sollen.“ Stein sah „eine engagierte Leistung, aber ab und zu war es etwas wild.“

„Das wird ja langsam unheimlich“ hieß es im Kommentar eines Fans noch abends auf der Vereinsseite. Doch steckt dahinter viel harte Arbeit, ein junges, williges und wissbegieriges Team, dem Schröder seine Idee von Fußball bestens zu vermitteln scheint. Auch Kapitän Stein gefällt „die Mannschaft sehr gut, an die vielen jungen Spieler muss man sich erstmal gewöhnen. Aber die Jungs haben alle bock.“ Auch Oskar Praus, trotz seines jungen Alters schon als Abwehrmann (beinahe) gesetzt, ist von seinen Mitspielern angetan: „Trotz der vielen Abgänge ist es schon erstaunlich, wie gut wir das angenommen haben und wie sich alle einfügen.“ Doch noch ist es mit Vorsicht zu genießen, das weiß auch das Umfeld, unterliegen junge Akteure naturgemäß irgendwann Leistungsschwankungen. Diese im Rahmen zu halten, wird die Kunst der Schröder, Steinert & Co. sein. Derzeit sprüht die Mannschaft vor Spiellust, ist fit und spritzig wie es lange kein Zehlendorfer Team mehr war. Am kommenden Freitag (19:30 Uhr, Ernst-Reuter-Stadion) wartet mit dem RSV Eintracht Stahnsdorf die nächste Hürde. Das dortige Trainer-Urgestein Patrick Hinze (ehemals Zehlendorfer Co-Trainer unter Markus Schatte) wird seine Jungs entsprechend eingestellt haben. Eine reizvolle Partie des neuen Tabellenführers, ein Derby, dass hoffentlich einmal vor einer größeren Kulisse stattfinden wird. 

 

FSV Union Fürstenwalde – FC Hertha 03 1:4 (1:3)

HERTHA 03: Kühn; Zeidler (77. Zeidler), Stein, Praus; Reimann, Stiller, Didoss (65. Ihbe), Polat, Yoldas (46. L. Millgramm), A. Millgramm (75. A. Millgramm); Ceesay (46. Zille)

z.Z.: 167

TORE: 0:1 Didoss (22.), 0:2 Stein (32., Foulelfmeter), 1:2 Mlynarczyk (38.), 1:3Polat (45.+1), 1:4 Stiller (46.) 

GELBE KARTEN: Polat, Stein, A. Millgramm, Stiller, Zeidler

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