F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

20.10.2015 / 1. Herren

Die kleine Hertha weckt Sehnsüchte in Zehlendorf

Berlins Talentschmiede gelingt überraschend guter Saisonstart

Ein Beitrag der Berliner Morgenpost

Markus Schatte ist Realist. Dass seine Mannschaft in der Oberliga überraschend auf Platz zwei steht, weckt beim Trainer von Hertha 03 Zehlendorf jedenfalls keine Euphorie. "Wir haben überwiegend gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte gespielt", sagt der 59-Jährige. Weil sein Team das aber mit bemerkenswerter Souveränität tat, ist das Selbstvertrauen der "kleinen Hertha" spürbar gewachsen. "Wenn jetzt größere Aufgaben kommen", sagt Schatte, "werden wir sicher nicht vor Angst schlottern."

Der gute Saisonstart ist der vorläufige Höhepunkt einer Sehnsuchtsgeschichte. Lange hatten sie in Zehlendorf auf die Rückkehr in den überregionalen Fußball warten müssen. Als Hertha 03 einst in der Regionalliga Nord/Ost gegen den 1. FC Union oder Energie Cottbus antrat, wurden am neugestalteten Potsdamer Platz noch die Baugerüste abgebaut. Auf den Abstieg in die Berlin-Liga 2000 folgten endlos lange Jahre des Hoffens, in denen Hertha oft nah dran war am Aufstieg, und doch zuverlässig scheiterte. Bis 2014. Seitdem hat sich allerdings schon wieder viel verändert. In der vergangenen Winterpause löste Schatte den Aufstiegshelden Timo Szumnarski ab, der Hertha 03 nach glücklosem Start verlassen hatte. "Wir wollten endlich eine Konstante einführen", sagt Teammanager Timo Steinert, "und Markus Schatte steht dafür, dass sich junge Spieler unter ihm weiterentwickeln können." Beim Ligakonkurrenten Tennis Borussia arbeitete Schatte, hauptberuflich Lehrer an der Poelchau-Oberschule, acht Jahre als A-Jugend-Coach, ehe er zu den Männern wechselte. Schatte und Hertha Zehlendorf – das scheint zu passen.

Denn: Das Aushängeschild des Vereins ist seit jeher die Jugendarbeit. Hertha 03 definiert sich in erster Linie als Breitensportverein, mit gutem Ruf. Heerscharen von Eltern stehen Schlange, um ihre Sprösslinge in einem der 45 Jugendteams unterzubringen. Denn neben dem Ernst-Reuter-Stadion stehen – eingebettet in gepflegte Grünanlagen – acht weitere Plätze zur Verfügung. Bilderbuch-Voraussetzungen.

Von Littbarski bis Brooks: Immer ein Sprungbrett für Talente

Noch imposanter als die Breite der Jugendarbeit ist jedoch das, was sich an der Spitze tut. Während die Talentförderung bei Hertha BSC erst mit dem Bundesligaaufstieg 1997 angeschoben wurde, zählte Zehlendorf für Nachwuchskicker zu den ersten Adressen. Von Weltmeister Pierre Littbarski über die Kovac-Brüder Nico und Robert bis zu John Brooks oder Maximilian Mittelstädt, die heute bei der großen Hertha zu den Hoffnungsträgern zählen – die Liste von Profis, die in ihrer Jugend Station in Zehlendorf machten, liest sich eindrucksvoll. Für den Verein fällt dadurch mitunter etwas ab. Als der VfB Stuttgart im Sommer Antonio Rüdiger für vier Millionen Euro an den AS Rom verlieh, erhielt Hertha 03 als Ausbildungsklub eine fünfstellige Summe.

"Als Sprungbrett sind wir die richtige Adresse", sagt Steinert. Als reiner Ausbildungsverein sieht sich der Verein allerdings nicht mehr. Weil die A-Jugend von der Bundesliga in die Regionalliga abstieg und die Männer parallel aufstiegen, kann Hertha inzwischen häufiger Talente halten. Auch dank Schatte: "Zeitweise haben die Teams fast autark gearbeitet", sagt Steinert, 30, und schon seit Kindertagen im Verein. "Das hat sich unter Markus gewandelt." Im Sommer wurden sechs Eigengewächse ins Oberligateam integriert. Jugend forscht.

Fanmassen mobilisiert der Verein damit zwar nicht – im Schnitt kommen etwa 150 Zuschauer –, die familiäre Atmosphäre ist jedoch allgegenwärtig. Selbst Spieler, die längst weitergezogen sind, halten Kontakt. Heute tritt Hertha 03 bei Hansa Rostock II an. Ganz behutsam richtet sich der Blick aber schon auf das Duell mit Aufsteiger Tennis Borussia in zwei Wochen. "Das wird ein Highlight für den Berliner Fußball", sagt Steinert.

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