F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

28.09.2020 / 1. Herren

Zehlendorfer zuhause nicht zu stoppen

6:0-Erfolg gegen Rostocker FC / Nun nach Greifswald

Wenige Minuten nach Spielende stand das Zehlendorfer Trainerteam am Rande des Platzes beisammen. Neutrale Beobachter konnten ihrem Minenspiel folgendes entnehmen: Der Nachmittag hatte für die „kleine“ Hertha keinen erfreulichen Verlauf genommen. Blickte man weiter ein Stück nach rechts, in Richtung der elektronische Anzeigentafel, leuchtete dort rot auf schwarz: 6:0 – wohlgemerk für Hertha 03. „Wir sind mit einer 3:0-Führung in die Pause gegangen, aber es hat sich nicht angefühlt wie 3:0“, sagte Trainer Simon Rösner später beim Mannschaftsessen. Will heißen: Die erste Halbzeit lief nicht so rund, wie es das Resultat vermuten ließ. „Als das Spiel noch offen war, hat Paul zweimal sehr gut gehalten“ meinte Torwarttrainer Panajiotis Matlis über seinen Schützling Paul Büchel. Selbstkritische Zehlendorfer nach dem zweiten 6-Tore-Erfolg im dritten Heimspiel.

Es begann wie maßgeschneidert für die Berliner. Nach einer kurz ausgführten Ecke zwischen Mike Ryberg und Melih Hortum gelangte das Leder nach zu kurzer Rostocker Abwehr zu Egzon Ismaili, der wie schon beim letzten Heimauftritt für die frühe 1:0-Führung sorgte – mit dem rechten Fuß von Rechtsaußen! Sein voll getroffener Direktschuss ins lange Eck zählte daher zur Marke „außergewöhnlich“ oder, wie es Co-Trainer Manuel Meister ausdrückte, „zu der Art Treffer, die eben nur Egzon macht.“ 

Schon sieben Minuten später hätte die Vorentscheidung fallen können: Nach einer Kombination mit den Stationen Igli Cami, Louis-Nathan Stüwe und Zihni Taner Hirik gelangte das Leder zum völlig frei stehenden Melih Hortum, doch den etwas zu überhasteten Abschluss parierte Rostocks Schlussmann Tobias Werk. Es blieb Hortums einziger Schwachpunkt in dieser Partie. „Melih hat eine Riesenspiel im Zentrum gemacht“, lobte Rösner hinterher seinen Gestalter, der noch zu Saisonbeginn als Abgang galt. „Im letzten Jahr hatte ich zwei langwierige Verletzungen, die mich stark behindert haben. Jetzt fühle ich mich sehr gut, da hilft mir natürlich auch die Spielpraxis“, gab er die Erklärung, warum er im vergangenen Jahr häufig hinter den (auch seinen eigenen) Erwartungen zurückgeblieben war. In der gestrigen Form ist er ein (spielerisches) Faustpfand im Zehlendorfer Mittelfeld.

Apropos zentrale Positionen: Hier feierte Stüwe einen gelungenen Einstand, den er mit dem Treffer zum 2:0 krönte (26.). Sein mit dem Innenrist aus gut 25 Metern abgefeuerter Schuss schlug unhaltbar im rechten Eck ein. Vorlagengeber: Melih Hortum. Es war Stüwes erster Oberliga-Treffer im Zehlendorfer Trikot. Sein letztes Tor für Hertha 03 am Siebenendenweg liegt schon ein ganzes Weilchen zurück: In der Berlin-Liga-Saison 2013/14 gegen den TSV Rudow.

Von einem Klassenunterschied war in dieser Phase des Spiels noch nichts zu sehen. Die Rostocker hielten mutig mit und erspielten sich auch Möglichkeiten: Eric Martins Kopfball strich über den Kasten (34.), Kevin Mbenganis scharfe Eingabe entschärfte Büchel und erneut Mbengani bot sich freistehend kurz vor dem Pausenpfiff die Chance zu verkürzen – doch Büchel blieb lange stehen und konnte klären. „Wir hatten in der ersten Halbzeit einige Unsauberkeiten im Spiel. Zurzeit ist das Glück auf meiner Seite“, wollte Zehlendorfs Torsteher seine Leistung nicht überbewertet wissen.

Der Torschrei lag den 152 Zehlendorfer Zuschauern in der 38. Minute auf den Lippen, als Hortum im Rostocker Strafraum zu einem Slalomlauf ansetzte. Drei Rostocker Gegenspieler mussten die undankbare Rolle der Hindernisse übernehmen, die Hortum umkurvte. Nur der krönende Abschluss fehlte: Die Kugel strich rechts am Kasten vorbei (38.). Hortum schlug dafür die Ecke, die „Funkturm“ Lenny Stein zum 3:0 per Kopf verwertete. Das Leder prallte erst an die Latte, um dann deutlich vor die Linie zu springen – doch der Ball besaß einen derartigen Drall, dass er über die Torlinie zurücksprang. „Wir hatten dieses Mal auch das Quäntchen Glück, dazu haben uns die Standardsituationen geholfen“, sagte der Torschütze hierzu, der auch darauf verwies, dass diese durchaus Bestandteil des Zehlendorfer Trainingsbetriebs sind. 

„In der Halbzeit habe ich dafür gesorgt, dass wir die Spannung nicht verlieren, denn das Spiel hätte durchaus noch eng werden können. Dass Rostock am Ende so abfällt, hatte ich nicht erwartet, aber vielleicht war das auch unserem hohen Tempo geschuldet“, gab Rösner einen kleinen Einblick in das Pausengespräch. Dabei brauchten seine Schützlinge durchaus etwas Anlaufzeit. Just in dem Augenblick, in dem sich der Chronist „Wenig Höhepunkte“ in seinem Notizblock vermerkte, schlug Hortums gefühlvoller Freistoß-Heber zum 4:0 im rechten Rostocker Eck ein (65.). Werk blieb auf der Torlinie nichts anderes übrig, als machtlos hinterher zu schauen. 

Es folgte die übliche Wechselarie, der in diesem Jahr scheinbar eine wesentlichere Bedeutung zukommt. In den vergangenen Jahren erfolgten Auswechslungen im wesentlichen aufgrund von drei Kriterien: 1) Spieler für Trainingsleistungen zu belohnen 2) Zeit zu gewinnen 3) Das Spiel zu verwalten. Impulse versuchte man im Wesentlichen nur zu setzen, wenn „nichts lief.“ Anders in diesem Jahr: „Wir hatten den Vorteil, Leute von der Bank bringen zu können, die unsere Mannschaft sogar noch besser gemacht haben. Ich belohne die Spieler nicht nur für ihre Trainingsleitungen, sie bringen tatsächlich nochmal eine Steigerung. Diejenigen, die für uns die Spiele entscheiden, laufen manchmal gar nicht von Beginn an auf“, erklärte Rösner den Vorteil, der sich im weiteren Saisonverlauf noch bezahlt machen kann.

Phil Butendeich lieferte mit seinen Treffern zum 5:0 (71.) und 6:0 (76.) den besten Beweis. Beim fünften Tor unterstrich er seinen Torriecher, indem er eine zu kurze Rückgabe von Verteidiger Karim Ben-Cadi nutzte, beim 6:0 köpfte er eine Rechtsflanke von Patrick Jahn ein. Der Torschütze blieb anschließend bescheiden: „Natürlich sitzt keiner gern auf der Bank, aber ich habe nach meiner Einwechslung mein bestes gegeben. Ich glaube, dass ist mir mit den beiden Treffern auch ganz gut gelungen.“ Fürwahr!

Den Rückstand auf die Spitze haben sich die Zehlendorfer selbst eingebrockt. Weniger durch schlechte Leistungen, als vielmehr durch mangelnde Chancenverwertung in den Spielen gegen Blau-Weiß 90 und den MSV Pampow. Verteidiger Mike Ryberg stellte daher auch noch einmal den Unterschied zu diesen Partien heraus: „Wir waren heute mal eiskalt vor dem Tor und habe unsere Chancen genutzt, was in den letzten Wochen nicht immer der Fall war.“

Trainer Rösner fand hinterher den Spagat zwischen Realismus und Euphorie: „Wir wollen es nicht überbewerten, aber wir freuen uns schon, dass wir das zweite Heimspiel in Folge hoch gewonnen haben. Wir kritisieren viel, nun wollen wir das auch mal genießen. Wir freuen uns auf die Spitzenspiele in der Liga und wollen dabei auch Boden gut machen, denn die Tabelle gefällt uns im Moment überhaupt nicht. Wir haben es in der eigenen Hand zu zeigen, dass wir besser sind als der derzeitige Tabellenplatz.“ Paul Büchel hofft in Greifswald „auf ein sehr enges Spiel. Wir werden auch dort unsere Gelegenheiten bekommen und müssen diese dann nutzen.“ Geht es nach Physiotherapeutin Annika Grote, steht das Endresultat des kommenden Spitzenspiels bereits fest: „3:3“, tippte sie. Die hinter dieser Aussage stehende Logik klingt verblüffend und hat ihren Reiz: Vor und zwischen den beiden Siegen mit jeweils sechs Toren Vorsprung spielten Rösners Mannen jeweils Remis in nachstehender Folge: 0:0 gegen Blau-Weiß 90, 1:1 bei Stern 1900, 2:2 in Pampow. Ja, wenn's so ist! 

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