F.C. Hertha 03 Zehlendorf

F.C. Hertha 03 Zehlendorf

14.08.2021 / 1. Herren

Führungstreffer zur rechten Zeit

255 Zuschauer beim ersten Heimspiel - Mittwoch Derby bei Stern 1900

Vertrauen muss erst wachsen. Diese Lebensweisheit scheint auch auf den Präsidenten der „kleinen“ Hertha, Kamyar Niroumand, zuzutreffen. Vor der Partie gab er in einem Interview an, mit einem engen Spiel zu rechnen, sein Team stehe vor einer sehr schweren Aufgabe und tippte letztendlich 2:2. Zur Entschuldigung sei angemerkt: Auch das Vereinsoberhaupt hatte eine monatelange Pause hinter sich, muss erst wieder ein Gefühl fürs Tippen und Vertrauen entwickeln. Denn „sein“ Team gewann vollkommen ungefährdet 4:0 gegen Aufsteiger MSV Neuruppin, der selbst in der Vorwoche mit 4:0 erfolgreich war und die erste Tabellenführung übernommen hatte.

Der Rahmen stimmte. 255 Zuschauer sind üblicherweise keine besonders erwähnenswerte Notiz, aber für Zehlendorfer Verhältnisse dennoch beachtenswert. Geht es nach deren begeisterten Reaktionen beim Schlusspfiff, werden sie am nächsten Sonntag gegen den Berliner Aufsteiger Eintracht Mahlsdorf wiederkommen - und im Idealfall noch einige mehr. Verdient hätte es sich die Mannschaft, die vor dem Anstoß noch zwei Nackenschläge hinnehmen musste. Der in Pampow so überzeugende Zulu Ernst musste nach einem Infekt in der Woche zunächst auf der Bank Platz nehmen und auch für Regisseur Maximilian Obst reichte es noch nicht für einen Einsatz von Beginn an. Dafür durfte Anton Sirén ran. „Für mich als jüngerer Jahrgang der U19 hier mitmachen zu dürfen, dann noch in der Startelf zu stehen und so ein Spiel zu liefern, ist absolut klasse.“ Er bestätigte seine Nominierung mit einer ordentlichen Partie und war nebenbei nicht unwesentlich am 1:0-Führungstreffer beteiligt. Sein langer Pass erreichte Melih Hortum, dessen Eingabe Torjäger Romario Hartwig nur noch über die Linie drücken musste (15.). „Bei meiner Vorbereitung zum 1:0 stand Arthur (Langhammer) direkt neben mir und sagte, ich solle lieber sicher „hintenrum“ spielen, aber ich habe Melih (Hortum) vorne frei gesehen, und dachte mir, das ist die bessere Lösung.“ Fürwahr! Nicht nur Team-Manager „Zippo“ Stüwe-Zimmer atmete auf: „Zum Glück ist rechtzeitig das 1:0 gefallen, denn man hat von Beginn an gesehen, dass der Gegner sehr defensiv gestanden hat.“

Obwohl erst eine Viertelstunde gespielt war, konnte die Führung als folgerichtig bezeichnet werden, so dominant waren die Berliner in die Begegnung gestartet. Einem Kopfballtreffer von Cami wurde zuvor wegen Abseits die Anerkennung versagt (8.). Doch wer nun gehofft hatte, die Gäste würden ihre nach hinten orientierte Haltung aufgeben, sah sich getäuscht. Zehlendorf kontrollierte das Geschehen, doch die Zielstrebigkeit im letzten Drittel fehlte. Stüwe-Zimmer beschrieb den Rest des ersten Abschnitts so: „Wir waren nach dem 1:0 sehr sicher und sind dann etwas in Lethargie verfallen, da hätten wir vielleicht energetischer nachsetzen sollen.“ Was vielleicht dabei etwas unterging waren zwei Faktoren: Die Wärme - und das Laufpensum, das die Neuruppiner absolvierten. Da ahnte man schon, dass sie womöglich dafür noch Tribut zollen mussten. „Die erste Halbzeit war schon anstrengend mit der Wärme, aber da haben wir den Grundstein gelegt und den Gegner viel laufen lassen“, erklärte Torschütze Hartwig später.

Kurz nach dem Wechsel - nun unter Flutlicht - ging es ganz schnell. Schon in der 50. Minute lag die Vorentscheidung in der Luft. Eine einstudierte Freistoßvariante hatte in Hortum ihren Ausgangspunkt. Nach seiner Hereingabe löste sich Lenny Stein von seinem Gegenspieler, legte den Ball per Kopf maßgerecht in die Mitte, doch Hartwigs Kopfstoß strich über den Kasten. Nur 120 Sekunden später war es soweit - mit fast denselben Protagonisten. Hortum wurde beim Torschuss gefoult, Stein verwandelte den fälligen Strafstoß sicher: 2:0 (52.). Vorausgegangen war auf der rechten Seite ein langer Pass von Dennis Dombrowe auf Igli Cami, der einen Gegenspieler elegant aussteigen ließ und auf Hortum ablegte. Ein Bilderbuchangriff, dem nur das Makel anhaftete, dass ein rüdes Foul die vorzeitige Krönung verhinderte.

Danach war die Partie entschieden. „Wenn wir etwas kritisieren wollen, dann, dass wir in der zweiten Halbzeit etwas zu hektisch waren. Da hätte ich mir mehr Ballkontrolle gewünscht. Aber wenn am zweiten Spieltag schon alles perfekt wäre, hätten wir ja nichts mehr zu tun“, fand Trainer Schröder noch ein kleines Haar in der Suppe. Es machte sich bemerkbar, dass die Gäste im ersten Abschnitt einen hohen Aufwand betrieben hatten.“Im Enddefekt hat man bei Neuruppin in der zweiten Halbzeit gesehen, dass sie im ersten Abschnitt sehr viel laufen mussten. Wenn wir bei unseren Kontern irgendwann stabiler werden, können wir solche Spiele auch deutlicher gewinnen“, sah es Stüwe-Zimmer ähnlich.

Nun zeigte sich, dass die „kleine“ Hertha vermutlich über mehr Alternativen verfügt, als sie vielleicht selbst vermutet hat. Trotz der zahlreichen Ausfälle (Ismaili, Hopprich, Hirik, Grabow) kamen von der Bank derart frische Impulse, dass mancher Zuschauer bedauerte, dass die Partie pünktlich nach 90 Minuten beendet war. Zulu Ernst, in der 60. Minute eingewechselt, stand sogleich mehrfach im Mittelpunkt. Wie er sich in der 64. Minute von halbrechts kommend im Drilbbing durchsetzte, um den Ball dann mit voller Wucht und dem rechten Außenrist an den linken Außenpfosten zu hämmern, machte nicht nur bei den Gästen Eindruck (64.). In der 74. Minute waren seine Bemühungen dann von Erfolg gekrönt. Ein kurzer Tempoantritt von Mushakir Razeek, der über die Außenbahnen viel frischen Wind brachte, eine Zwischenstation bei Hartwig und das Leder landete bei Ernst, der sich gegen zwei Gegenspieler durchsetzte und die Kugel über den herausstürzenden Neuruppiner Torhüter spitzelte: 3:0! Und auch in der 87. Minute waren Razeek und Ernst die Hauptdarsteller: Nach Razeeks Eingabe scheiterte Ernst am Schlussmann. Das Leder tanzte zwar noch auf der Latte, fiel dann aber aufs Netz.

Den Schlusspunkt setzte Deniz Citlak, der nach einer Vorlage von Louis Nathan Stüwe noch einen Gegenspieler umkurvte und trocken zum 4:0 ins linke Eck traf (90.). Der Torschütze strahlte nachher mit den Zuschauern um die Wette: „Ich war anderthalb Monate verletzt und habe kein Vorbereitungsspiel mitmachen können. Letzte Woche hatte ich meinen ersten Kurzeinsatz, deswegen freue ich mich über mein Tor sehr.“ Für Jason Rupp gab es keine Zweifel: „Wir haben auch heute wieder verdient gewonnen und das „zu Null“ ist für uns auch wichtig. Als Team konnten wir die wichtigen Ausfälle gut kompensieren. Teamstärke wird bei uns in diesem Jahr ganz groß geschrieben.“ Das spürte man auch am gestrigen Abend, als Zehlendorfer Spieler erstmals Autogramme an die Jüngsten im Verein schreiben durften.

Wenn es etwas an den Zehlendorfern zu bemängeln gab, dann vielleicht, dass sie nach einer Partie, die sie derart eindeutig beherrschten, mit fünf gelben Karten (Langhammer, Obst, Rupp, Ryberg, Hortum) herausgingen. Angesichts der Verletztenliste wird es im Verlauf der langen Spielzeit auf jeden einzelnen Spieler ankommen, da können unnötige Karten vielleicht einmal wehtun. Noch fällt es schwer, die beiden ersten Auftritte richtig einzuordnen. Der MSV Neuruppin wird sich, ähnlich wie schon der MSV Pampow, eher in den unteren Gefilden einordnen. Doch schon Stern 1900 am kommenden Mittwoch (19:30 Uhr, Kreuznacher Straße) wird auf seinem gefürchteten Platz anders auftreten. Zudem gilt die Partie von jeher als Südderby, verfügt also über seine eigene Brisanz. Die Zehlendorfer werden in diesem ersten echten Härtetest kühlen Kopf bewahren müssen. Doch das für die Steglitzer die Bäume auch nicht in den Himmel wachsen, mussten sie am letzten Wochenende erfahren, als sie daheim eine 3:0-Führung (!) gegen den Ludwigsfelder FC verspielten. Bleiben die Mannen von Robert Schröder/Fabian Gerdts weiterhin so fokussiert, ist ihnen auch dort etwas zuzutrauen.

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