06.08.2023 / 1. Herren
Als nach knapp 94 Minuten der Schlusspfiff ertönte, rissen elf erschöpfte Zehlendorfer die Arme nach oben. Sie hatten den letzten Ansturm von Regionalliga-Absteiger SV Lichtenberg ohne Schaden überstanden und mit einem 2:1-Sieg die weiße Weste behalten. „Wir hatten uns vorgenommen, uns im ersten Heimspiel so zu präsentieren wie in der Vorwoche in Wismar. Das ist aus meiner Sicht zu 100% gelungen“, war Team-Manager „Zippo“ Stüwe-Zimmer erleichtert, dass sich seine Mannschaft so präsentiert hat, wie von ihm erhofft: mit erfrischendem Fußball, viel Begeisterung, Tempo und Teamgeist.
Im Vergleich zur Vorwoche gab es nur eine Änderung in der Startformation. Luis Millgramm ersetzte Furkan Yildirim, dazu mussten die Zehlendorfer erneut auf die Unterstützung ihrer Ultras verzichten, die sich offenbar immer noch in den Sommerferien befinden.
Die Gäste bestimmten die Anfangsviertelstunde. „Gerade in der Anfangsphase hat man gesehen, über welche Qualität Lichtenberg verfügt. Danach aber übernahmen wir das Kommando“ sagte Stüwe-Zimmer. So setzten die Zehlendorfer erste Achtungszeichen durch Sören Zeidler, dessen Schuss aus 16 Metern vorbei strich (14.). Keine zwei Minuten später machte es Marius Ihbe besser, als er eine flache Eingabe von Eric Stiller direkt zum 1:0 verwertete (16.). Doch die Lichtenberger schlugen schnell zurück. Nach einem Foul von Kapitän Lenny Stein, zirkelte Philipp Grüneberg den fälligen Freistoß aus rund 22 Metern über die Zehlendorfer Mauer, unhaltbar für Torhüter Jasper Kühn schlug das Leder im Winkel zum 1:1-Ausgleich ein (20.).
In der Folge bestimmte die „kleine“ Hertha das Spiel. Mit viel Bewegung, schnell und direkt, dazu die langen Dribblings der beiden Millgramm-Zwillinge von links und rechts, die die Zuschauer ins Staunen versetzten. „Auf dem nassen Boden wird der Ball schneller und die Gegner träger, das kommt unserer Spielweise entgegen. Wir sind heute gut in die Tiefe gekommen“, gaben die beiden offensiv herausragenden Akteure zu Protokoll. Ihbe aus der Distanz (36.), ein Kopfball von Eric Stiller nach Flanke von Cenker Yoldas (41.) und eine wunderbare Kombination über Luis Millgramm, Yoldas und einer Direktabnahme von Albert Millgramm (38.), die Zehlendorfer bestimmten die Partie und besaßen deutlich mehr Ballbesitz. Dennoch hätten sie zur Pause im Rückstand liegen können, doch Kühn parierte einen Kopfball von Sebastian Reiniger aus wenigen Metern mit blitzschnellem Reflex (45.).
Nach dem Wechsel dauerte es ganze 33 Sekunden, da hatte sich A. Millgramm im Dribbling stark durchgesetzt, sein Versuch aus rund 25 Metern wurde auf dem nassen Rasen immer schneller und verfehlte das Gehäuse nur knapp (46.). In der Pause hatte strömender Regen den Rasen unter Wasser gesetzt.
Dann bewies Zehlendorfs Trainer Robert Schröder ein glückliches Händchen. Fünf Minuten nach seiner Einwechslung wurde Frank Zille im Strafraum umgerissen, Stein verwandelte wie schon vor Wochenfrist sicher, dieses Mal hoch in den linken Winkel, Lichtenbergs Niklas Wollert blieb keine Abwehrmöglichkeit, 2:1 (70.).
Anschließend erhöhten die Gäste noch einmal die Schlagzahl und besaßen deutliche Feldvorteile. Die Zehlendorfer zogen sich weit in die eigene Hälfte zurück. Doch bis auf einen Schreckmoment in der 84. Minute ließen die Schröder-Schützlinge nichts mehr zu. Reiniger, dessen Schuss aus kurzer Entfernung ans Außennetz ging, hatte die Lichtenberger Fans schon Jubeln lassen. Am Ende verteidigte die „kleine“ Hertha die knappe Führung mit Leidenschaft und rettete den zweiten Sieg ins Ziel. Für Neuzugang Sven Reimann war es „ein Sieg des Willens. Unsere Mentalität hat gestimmt, wir haben uns in die Zweikämpfe geworfen und hatten über weite Strecken auch die bessere Spielanlage. Deswegen war es ein verdienter Sieg.“
Trainer Schröder zog folgendes Fazit: „Ich denke, man konnte in den ersten Spielen erkennen, dass die Mannschaft viel Potenzial besitzt. Sie ist einfach anders als in der letzten Saison, das ist auch gut so. Wichtig ist, dass sie sich immer wieder in den Hintern treten und immer versuchen, sich ihre eigenen Grenzen höher zu setzen. Wir drumherum sind da, dass sie nicht bequem werden. Für den Moment können wir happy sein, Erfolg ist aber immer nur geliehen, im nächsten Spiel müssen wir uns wieder neu beweisen.“
Wer noch Zweifel an der Oberliga-Tauglichkeit der jungen Mannschaft hatte, beginnt langsam umzudenken. Nach der Auswärtshürde bei Aufsteiger Anker Wismar wurde nun der (weitestgehend zusammengebliebene) Regionalliga-Absteiger Lichtenberg 47 mit 2:1 bezwungen – wobei sich die Gäste durchaus als der erwartet starke Gegner erwiesen. Zwei unangenehme Aufgaben mit Bravour gemeistert, wenn auch Sonntagnachmittag nicht so viele Chancen zu verzeichnen waren wie noch in der Vorwoche. Inzwischen scheint sich auch eine Stammelf herauszukristallisieren, sodass gewisse Automatismen zu greifen beginnen. Doch Akteure wie Arthur Langhammer, Serhat Polat oder Carl Hopprich (um nur einige zu nennen) drängen von hinten nach. Nach dem Pokalwochenende reisen die Zehlendorfer an einem Freitagabend zu Union Fürstenwalde. Die Unioner, die gegen Pokalsieger TuS Makkabi eine böse 0:4-Abfuhr einstecken mussten, werden auf Wiedergutmachung aus sein. Wieder eine neue Konstellation und Herausforderung, die auf die Schröder-“Fohlen“ wartet.
FC Hertha 03 – SV Lichtenberg 47 2:1 (1:1)
HERTHA 03: Kühn; Yoldas, Stein, Praus, Zeidler (73. Tamim); Reimann, Stiller, A. Millgramm (73. Didoss), L. Millgramm (64. Yildirim), Ihbe (90. Enke); Ceesay (64. Zille)
z.Z.: 313
TORE: 1:0 Ihbe (16.), 1:1 Grüneberg (20.), 2:1 Stein (70., Foulelfmeter)
GELBE KARTEN: Stein, Praus, Yoldas, Zille